Womit fängt er eigentlich an, der Herbst? Sind es die ersten kühlen Nächte oder die kürzer werdenden Tage? Oder der langsam leiser werdende Lärm im Freibad? Sind es die ersten gelben Blätter oder die ersten sich sammelnden Schwärme von Zugvögeln? Was macht das Ende des Sommers und den Anfang des Herbstes aus?
Wenn in den frühen Morgenstunden über den Heideflächen ein silberner Glanz aus taubenetzten Spinnweben liegt und Silberfäden durch die Luft schweben, dann wissen wir sicher, dass es Herbst ist. Doch schon davor geschieht so manches.
Herbst beginnt, wenn die Früchte der Kastanien langsam reif werden, die Äpfel rote Backen haben, wenn die diesjährigen Fohlen auf der Wiese schon wild umherrennen und die letzte Brut der Meisen ihren ersten Flug schon lange gemeistert haben. Es ist die Zeit, wenn die Trockenheit des Sommers weicht und ersten Pilze auftauchen. Wenn der Boden beginnt, wieder Feuchtigkeit zu speichern und das Laub des letzten Jahres endgültig verwandelt wird in Nährstoff für die nächste Generation.
Tiefer steht die Sonne nun und erreicht nicht mehr den Zenit. Die Schatten werden länger und das warme Licht der Herbstsonne dringt tiefer in den Waldrand ein. Spendet Licht, wo den Sommer über eher Schatten vorherrschte. Doch nur noch wenige Pflanzen können dieses Licht nutzen, denn für die meisten ist die Wachstumszeit für dieses Jahr vorüber.
Brombeeren und Heidelbeeren werden reif, der Samen des Ahorns schraubt sich durch die Lüfte und die Bucheckern bedecken den Waldboden. Eichhörnchen sammeln fleißig ihren Wintervorrat zusammen genauso wie die Mäuse. Schnecken ziehen sich in den Boden zurück und Kröten suchen nach Winterquartieren genauso wie der Feuersalamander.
Und dann beginnt das große Spektakel. Aus dem einheitlichen Grün der Laubwälder wird ein buntes Meer, während die Wiesen und Ackerränder immer stärker einen einheitlich braun-grauen Ton bekommen. Noch halten sich die Lichtsammler der Eichen, Buchen, Pappeln, Erlen und Eschen fest an ihrem Stengel. Doch die ersten bunten Blätter, ihres Chlorophylls beraut, beginnen zu fallen.
Die ersten Frostnächte verwandeln dann auf einen Schlag die ganze Landschaft in ein Farbenmeer. Scheint tagsüber dann die Sonne und der blauer Himmel spannt sich über diese Pracht, dann leuchten die Blätter hell auf, während die Schatten in den Winkeln und Ecken immer tiefer werden. Die Weinberge werden zu einem Teppich aus unterschiedlich farbigen Flicken und die blauen Augen der Seen bekommen einen bunten Kranz aus Büschen.
Die Feuchtigkeit fördert den Abbauprozess durch Pilze und Mikroorganismen. Der intensive Geruch nach Erde und dem Vermodern von Pflanzenresten begleitet den Wanderer nun, während immer öfter die Sonne durch das löchrig werdende Blätterdach hindurch dringt.
Doch auch Nebel ist ein Zeichen des Herbstes. In den frühen Morgenstunden bildet er sich über den dunklen Äckern, die in den länger werdenden Nächten stärker auskühlen wie die darüber schwebende Luft. Wie ein Leichentuch bedeckt er die Landschaft und sammelt sich in Senken. Dämpft das erste Licht der Morgensonne, so dass sie nur ein fahler Lichtpunkt ist im Grau des beginnenden Tages. Doch noch ist die Kraft der Sonne ausreichend, erwärmt sie den Boden, so dass der Nebel wabernd aufsteigt und sich schließlich auflöst. Hat man am Vormittag gefroren und musste sich dick anziehen, sind die Nachmittage noch warm und verlocken zu einem Bad im Licht auf einer Bank. Es kann gut sein, dass dann laut schnatternd Kraniche oder Wildgänse in V-förmiger Formation Richtung Süden über einen hinweg fliegen.
Dann kommt der erste Herbststurm. Er kündigt sich kaum an und bläst dennoch heftig durch Wald und Flur. Golden scheint der Regen aus Blättern zu sein, die herabgerissen durch die Luft wirbeln. Das wogende Luftmeer, seine Bewegungen werden nun sichtbar in den Wellen aus aufgewirbelten Blättern, manchmal sogar wieder aufsteigend in einer der Windhosen, die sich über dem erwärmten Teer einer Strasse bilden.
Nun werden Wanderungen im Wald lauter, denn die vertrocknenden Blätter bedecken jeden Quadratzentimeter. Knisternd zerbrechen sie unter der Fußsohle und werden lautstark raschelnd zur Seite geschoben. Schal und Mütze sind bald ständiger Begleiter und die abendliche Strassenbeleuchtung geht gefühlt schon am frühen Nachmittag an.
Oft begrüßt einen dann Nieselregen am nächsten Morgen und der graue Wolkendeckel will für Tage nicht mehr weichen. Die Wege verwandeln sich in matschige Pfade neben durchfeuchteten Wiesen. Im Wald hängt das Grau zwischen den kahlen Bäumen und es ist still geworden. Goldhähnchen und Meisen, Rotkehlchen und Eichelhäher machen kein großes Spektakel, denn der Schutz des dichten Blätterwerks fehlt. Selbst so scheue Waldbewohner wie Rehe und den Fuchs bekommt man nun öfters zu sehen.
Das warme Kerzenlicht, eine wärmende Tasse Tee und duftende Kekse – sie machen uns die Entscheidung schwer, an trüben Tagen tatsächlich hinaus zu gehen. Wieviel schöner ist die wohlige Behaglichkeit im Zimmer verglichen mit der feuchten Kälte draussen. Kaum möchte sich der Tag richtig entfalten, da ist er schon wieder zu Ende.
Wenn der Frost die Landschaft langsam einfriert, wenn die Eichhörnchen und die Mäuse kaum noch ihr Winterquartier verlassen und die großen Schwärme der Zugvögel bereits in den Süden abgeflogen sind, der Traubensaft in den Fässern beginnt, sich in Wein zu verwandeln und Eisglocken sich an den Rändern der Bäche bilden, dann stellt sich die Frage, wann denn der Winter beginnt.