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Man muß nicht alles wissen! Nur, wo es steht!

Die Rückkehr der Solarbranche - gelingt sie?

Die Solarindustrie in Deutschland erlebte in den frühen 2000er Jahren einen Boom mit Unternehmen wie Q-Cells und Solarworld sowie Projekten wie dem „100.000-Dächer-Programm“. Dieser Aufschwung führte zur Schaffung tausender Arbeitsplätze. Es gelang jedoch nicht, die Solartechnik in eine massenmarktfähige Produktion zu überführen, was dazu führte, dass sich die Produktion nach China verlagerte, wo schneller und kostengünstiger produziert wurde.

Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) ist Photovoltaik die kostengünstigste Methode zur Stromerzeugung. Solaranlagen haben keine rotierenden Teile, unterliegen keinem Verschleiß und haben eine hohe Lebensdauer. Obwohl Deutschland nicht der ideale Standort für die solare Energiegewinnung selbst ist, verfügt das Land über Anlagen- und Maschinenbau sowie Forschungs- und Ingenieurswissen, die eine Rückkehr der Solarindustrie begünstigen könnte. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist die hohe Abhängigkeit der Solarindustrie von Lieferungen aus Asien deutlich sichtbar geworden und der Ruf nach einer Rückkehr der Solarindustrie an den Ort ihrer Gründung laut geworden.

Dabei ist Deutschland jedoch nicht das einzige Land, das eine Renaissance der Solarindustrie anstrebt. Zahlreiche Unternehmen, Zusammenschlüsse (z.B. SolarPower Europe)und Staaten wollen diese wichtige technologische Ressource wieder in Europa verankern. Dafür werden von den einzelnen Ländern und der Europäischen Union Fördermittel in Milliardenhöhe bereitgestellt.

Zu den Akteuren dieser Entwicklung gehören Start-ups wie Nexwafe, das Siliziumwafer für die Solarmodulfertigung in Bitterfeld bereitstellen will, und Automatisierungs-Unternehmen wie Meyer Burger, das in Ostdeutschland eine 5-GWh-Produktion aufziehen wollte (seit März 2024 stillgelegt). Auch der Glashersteller Schott und das französische Unternehmen Akuo Energy bemühen sich um den Kapazitätsaufbau. Der unter Druck geratene Wechselrichter-Hersteller SMA hat angekündigt, seine Produktion zurück nach Deutschland zu verlagern, auch zum Schutz des Know-hows. Seit Mitte 2024 befindet sich SMA in einem strikten Sparkurs. Durch Reorganisation will man sich für die Zukunft konkurrenzfähig machen gegenüber amerikanischen und asiatischen Anbietern. Solarwatt dagegen stoppte Ende 2024 nach 30 Jahren seine Fertigung – durchaus mit dem Hinweis, dass damit bereits das zweite Mal eine so strategisch wichtige Zukunftstechnologie „den Bach runtergeht“.

Die Rahmenbedingungen für eine Rückkehr der Solarbranche sind herausfordernd

Die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der Europäische Green Deal unterstützen die Rückkehr der Solarindustrie. Jedoch ist es in einer Welt, in der 85 % der Solarmodulkapazität und 97% der Wafer von chinesischen Unternehmen produziert werden, das Überleben für europäische Anbieter schwierig. Technologische Vorsprünge werden schnell übernommen und staatliche Subventionen sowie günstige Massenproduktion schützen auch nahezu unwirtschaftliche Modulpreise. In Deutschland sind die politische Unsicherheit, wie die zukünftige Förderung des Solarausbaus aussehen wird, vor allem aber auch die hohen Energiekosten und die inzwischen minimale Gewinnmarge massive Hindernisse beim Aufbau einer eigenen Solarindustrie.

Seit RED II (Erneuerbaren-Energie-Richtlinien, 2018) sind von der EU-Kommission weitere Maßnahmen vorangetrieben worden, um bei der Solar- und Windenergietechnik eine größere energiepolitischer Unabhängigkeit zu erreichen (Net Zero Industry Act, Europäische Solar-Charta). Die Hoffnung, innovative Solarlösungen könnten zu einem Exportschlager werden, trägt zu dem Nachdruck bei, mit dem wesentliche Teile der Wertschöpfung wieder in Europa verankert werden sollen.

Entwicklung der AgriPV als innovative Landnutzung und Exportschlager

Eine dieser innovativen Lösungen ist der Einsatz von Agri-Photovoltaik, die eine doppelte Nutzung der für Solaranlagen benötigten Fläche ermöglicht. Befürworter argumentieren, dass die Kopplung von Agrarflächen mit der Gewinnung von Solarstrom für Betreiber die Einnahmen pro Flächeneinheit signifikant steigern kann. Schätzungen gehen von einem Faktor zwischen 1,6 bis 1,8 aus. Zusätzlich gibt es Vorteile in der Biodiversität, dem Schutz des Bodens vor Erosion, einem verbesserten Wasserhaushalt vor allem in Trockengebieten und höherwertigen Produkten u.a. wegen des Schutzes vor Hagelschlag oder übermäßiger Sonneneinstrahlung.

Bei der Agri-PV gibt es zwei grundlegende Ideen: Erstens hoch aufgeständerte klassische Solarmodule, unter denen ein Traktor hindurch fahren kann, und zweitens bifaziale Solarmodule, die auf beiden Seiten das Sonnenlicht nutzen können.

Seit 2019 beschäftigen sich Forschungseinrichtungen (z,B. Fraunhofer ISE) und Start-ups intensiver mit diesem Thema. Der Branchenverband SolarPower hat einen eigenen AGRI-PV Arbeitskreis gebildet. Unternehmen wie SAS Solar Cloth (flexible Solarmodule in Gewächshaus-Anwendungen) engagieren sich für einen verstärkten Einsatz dieser Doppelnutzung von Agrarflächen.

Dabei beeinflussen sich die für die PV nutzbare Fläche und der Flächenertrag gegenseitig. Ziel ist es, mindestens 80 % des Feldertrages zu erhalten. Auf der anderen Seite müssen sich die Installationskosten in vertretbarer Zeit durch die Stromproduktion amortisieren, ohne dass sich die Verschattung durch zu viele PV-Module negativ auswirkt.

Weltweit gibt es über 2.500 Agri-PV-Projekte mit über 3 GW installierter Leistung. Was derzeit noch fehlt, ist die passende Förderung und der politische Wille zu solchen Anlagen. In Deutschland verhindert das Energieeinspeisegesetz seit 2010 die Einspeisevergütung bei auch landwirtschaftlich genutzten Flächen. Mittelfristig ist diese Einspeisevergütung jedoch angesichts der geringen Modulpreise das geringere Problem. Die Anbindung an das Verteilnetz ist bei kleineren Anlagen meist ein bedeutend größerer Kostenfaktor.

Rein theoretisch wäre für die Deckung des gesamten deutschen Strombedarf „nur“ etwa 4 % der bewirtschafteten Fläche notwendig. Diese Zahl zeigt das Potenzial der Agri-Photovoltaik, deren Vorteile gleichzeitig die Konkurrenz bei der Flächennutzung reduzieren würde.

Solange die Agri-Systeme noch so teuer sind (fehlende Massenproduktion, fehlende Vereinheitlichung), dass sie nicht ohne Förderung wirtschaftlich betrieben werden können, wird der Ausbau jedoch nur schleppend erfolgen. Allerdings beweisen Unternehmen wie Sun Agri (Frankreich), Voestalpine (Belgien) und AgriPV Solutions (Duetschland), dass es zahlreiche Gebiete gibt, in denen dieser wirtschaftliche Nachteil durch die langfristigen Vorteile wie bessere Biodiversität, höherer Ertrag und verringerte Bodenerosion ausgeglichen werden.

Eine der Hauptaufgaben für die nahe Zukunft ist es, verlässliche wissenschaftliche Ergebnisse zu gewinnen, um Landwirtschaft und Politik von diesen Vorteilen zu überzeugen. Japan fördert Agri-Photovoltaik bereits seit 2013, was zu einer deutlich gestiegenen Anlagenzahl geführt hat.

Agri-PV ist eine von vielen Ideen, wie die decarbonisierte Zukunft aussehen könnte. Vielleicht werden Agri-Solaranlagen sogar ein Exportschlager Made in Germany.

01/2025