Der Mobilfunk-Standard 5G wird gerade etabliert. Die Übertragungsrate dieses Funkstandards wird benötigt, um z.B. autonomes Fahren (Echtzeitsysteme), aber auch eine reaktionsschnelle Interaktion zwischen Menschen und Maschinen zu ermöglich. Der 6G Standard wird wohl nicht vor 2030 eingeführt und wird dann die digitale Welt revolutionieren. Dann werden Übertragungsraten erreicht, die bislang nur kabelgebunden erreicht werden können.
Um nicht ins Hintertreffen zu geraten und die wirtschaftliche Entwicklung chinesischen Firmen wie Huawei zu überlassen, wurde die europäische Flagschiffinitiative Hexa-X gegründet. Seit diesem Jahr (2021) entwickeln 21 Unternehmen Standards, Software, Technologie und Hardware für den nächsten Mobilfunkstandard. Die technische Leitung hat Ericcson übernommen, Nokia leitet das Projekt. Ausserdem sind Unternehmen wie Atos, Siemens, Telefonica und Orange mit dabei.
Finanziert wird die Entwicklungsgruppe über Horizon 2020 und ab 2022 durch Horizon Europe.
Was haben 5G/6G, Autonomes Fahren und Lichtgeschwindigkeit miteinander zu tun?
Autonomes Fahren gilt als eine der Schlüsseltechnologien der nächsten Jahre. Im privaten Autoverkehr als maximal möglicher Fahrkomfort, bei der Personenbeförderung und im Gütertransport als aussichtsreiche Geschäftsmodelle. Damit autonomes Fahren gelingt, braucht es eine sehr schnelle Kommunikation zwischen Fahrzeugen und ihrer Umgebung – eine Notbremsung, die zu spät ausgelöst wird, gefährdet Leben!
Für die Kommunikation per Smartphone, aber auch für Internetrecherchen oder um online Musik hören zu können, reicht der aktuell am weitesten verbreitete Funkstandard 4G in nahezu allen Fällen aus. Die Antwortzeit zwischen einer Anforderung und der Antwort, also zum Beispiel eine Suche in Google und die Antwort in Form von Suchergebnissen, ist völlig ausreichend.
Diese Zeit zwischen Aussenden der Anfrage und dem Empfang der Antwort nennt man Latenzzeit. Sie beschreibt im Prinzip die Verzögerung bei der Datenübertragung.Die Latenz der Internetverbindung ist heute bereits bei vielen Onlinespielen ein wichtiger Faktor: In einem Online-Autorennen endet der Spielspaß, wenn zwischen dem Lenken des Fahrzeugs und der Reaktion des Spiels einige Sekunden vergehen. Aber auch bei Videokonferenzen oder Automatisierungsanlagen spielt die Latenzzeit eine Rolle, wenn sie sehr lang wird.
Noch viel deutlicher wird das beim autonomen Fahren. Gerade im LKW-Verkehr sind der Fahrer und seine gesetzlich vorgeschriebenen Pausen ein erheblicher Kostenfaktor. Ihn auf langen Strecken durch autonom fahrende Fahrzeuge einsparen zu können, würde diese Kosten deutlich reduzieren. Doch für das autonome Fahren benötigt man die Reaktion auf Fahrsituationen in Echtzeit. Ein LKW legt bei 80 km/h in einer Sekunde 22 m zurück. Zum Beispiel beim dichten Hintereinanderfahren (Platooning) wäre eine solche Reaktionsstrecke verheerend.
Einen guten Teil dieser „Langsamkeit“ der Datenübertragung per Mobilfunk kann man dadurch abfangen, dass man Edge Computing im Fahrzeug verwendet: Daten werden noch im Fahrzeug umgerechnet in Reaktionen. Doch was beim Platooning funktionieren mag, gelingt nicht im dichten Stadtverkehr. Hier muß das einzelne Fahrzeug mit zahlreichen anderen Datenquellen kommunizieren, z.B. mit anderen Fahrzeugen, Ampelanlagen und unterstützt durch aktuelle Navigationsdaten zum Verkehrsfluß. Diese Informationen werden in der Cloud gesammelt, verarbeitet und an die einzelnen Verkehrsteilnehmer verteilt – in Echtzeit.
Latenzzeit < 1 ms
Ziel des 6G-Netzausbaus (dazugehörige Projekte u.a. Hexa-X, 6G-ANNA) in Deutschland für die Zeit nach 2030 ist eine Latenzzeit von kleiner einer Millisekunde. Eine Millisekunde ist 1/1000 Sekunde. Was sehr wenig klingt, wird in vielen Sportarten inzwischen als Grenze zwischen den Rängen auf dem Siegerpodest benötigt!Eine Millisekunde wird für viele Anwendungen im Verkehr, aber auch z.B. bei Internet of Things (IoT) oder Echtzeit-Interaktionen als ausreichend schnell eingestuft, um Prozesse sicher steuern und verarbeiten zu können. Zusätzlich wird eine enorme Bandbreite, eine hohe Dichte an Funkmasten und eine extrem hohe Zuverlässigkeit benötigt. Für noch höhere Anforderungen wird im 6G Netz sogar eine Latenzzeit von nur 0,1 Millisekunde angestrebt und dafür mit Frequenzen bis 300 GHZ (Sub-Terahertzbereich) gearbeitet.
Schneller geht nicht
Doch unabhängig von allen technischen Möglichkeiten gibt es eine begrenzende Größe: Die Lichtgeschwindigkeit. Diese beträgt rund 300.000 km/Sekunde. Was sehr schnell klingt, ist dennoch nur für uns Menschen schnell. Das Licht der Sonne braucht immerhin acht Minuten, bis es bei uns ankommt. Und in einer Millisekunde legt das Licht auch „nur“ 300 km zurück. Dieser Umstand bedeutet, dass das Funksignal hin zu einem koordinierenden Knotenpunkt nur 0,5 ms Zeit hat. In 0,5 ms legt das Licht jedoch nur 150 km zurück. Inklusive Signalverarbeitung und Rücksendung der Information an z.B. das autonom fahrende Auto bleibt also nur wenig Zeit beziehungsweise Wegstrecke - selbst bei Lichtgeschwindigkeit. Deswegen wird Edge-Computing immer wichtiger - also die Verlagerung sehr schnell reagierender IT-Systeme an den "Rand" des Internets (IoT). Große zentrale Rechenzentren dagegen wären zu weit entfernt – egal, wie gut die Technik z.B. durch Glasfaserkabel auch ist.
Autonomes Fahren als Koordination vieler Verkehrsdaten-Teilnehmer funktioniert auch mit 5G und dem zukünftigen 6G-Netz nur im Rahmen der Physik: Schneller als 300 km/Millisekunde können Informationen/Daten nicht übertragen werden, egal, wie intelligent und komprimiert sie versandt werden. Echtzeitsysteme haben also eine räumlich begrenzte Ausdehnung, soll die Reaktion auf ein Ereignis ausreichend schnell erfolgen.