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Energieträger Ammoniak - eine Chance?

Ammoniak ist ein Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff und ist bei Raumtemperatur gasförmig. Der größte Teil des heute produzierten Ammoniaks wird für die Düngemittelproduktion eingesetzt (Stickstoff-Dünger). Interessant wird Ammoniak für die Energiewirtschaft, weil man in dieser chemischen Verbindung viel „Wasserstoff“ und Energie (5,2 kWh/kg ) binden kann.

Da Ammoniak bereits bei -33°C oder - bei Raumtemperatur – unter 9 Bar Überdruck verflüssigt werden kann, ist der Transport per Schiff, Pipeline oder LKW deutlich einfacher und kostengünstiger als die Hochdruckkompression von Wasserstoff oder die Kryolagerung (Siedepunkt -33 Grad gegenüber -260°C bei Wasserstoff).

Ammoniak (NH3) bietet als Energieträger im Vergleich zu reinem Wasserstoff erhebliche Vorteile, insbesondere in Bezug auf Transport und Lagerung.

Neben Schwefelsäure ist Ammoniak die am häufigsten hergestellte Grundchemikalie. Das Molekül ist Basis für sehr viele Produkte, allen voran für den in der Landwirtschaft weltweit benötigten Stickstoffdünger. Bereits seit 100 Jahren wird Ammoniak großtechnisch eingesetzt und in der chemischen Industrie weit verbreitete Infrastrukturen für Ammoniak, könnten für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft genutzt werden.

Die Herstellung von Ammoniak muß, um klimaneutral zu sein, mit regenerativ gewonnenem Wasserstoff erfolgen. Zudem sind noch weitere Entwicklungen notwendig, um den Energieaufwand für die Verbindung von Stickstoff (reaktionsträge) und Wasserstoff signifikant zu reduzieren. Vor der Verwendung des gebundenen Wasserstoffs muß das Molekül wieder in seine Bestandteile aufgebrochen (cracking) werden:

  • Ammoniak-Cracking und elektrochemische Verfahren: Die von der Northwestern University Ende 2020 vorgestellte Technik zur direkten Aufspaltung von Ammoniak in hochreinen Wasserstoff in einem einzigen Schritt bei niedrigeren Temperaturen (250°C statt 500-600°C) unter Verwendung eines speziellen Katalysators und einer protonenleitenden Membran war ein wichtiger Fortschritt. Dieser Ansatz ermöglicht eine energieeffizientere Wasserstoffgewinnung direkt am Ort des Verbrauchs, z.B. an Tankstellen oder in Offgrid-Anwendungen. Die sofortige Umwandlung des Wasserstoffs in Protonen und deren anschließende Leitung durch die Membran ermöglicht die Gewinnung hochreinen Wasserstoffs mit geringerem Energieaufwand.

  • Weiterentwicklung der Katalysatoren: Die Forschung konzentriert sich weiterhin auf die Entwicklung noch effizienterer und robusterer Katalysatoren für das Ammoniak-Cracking. Ziel ist es, die Reaktionstemperaturen weiter zu senken und die Lebensdauer der Katalysatoren zu erhöhen. Es werden auch neue Materialien und Nanostrukturen erforscht, um die Effizienz der Wasserstoffproduktion zu maximieren.

  • Integration in Brennstoffzellensysteme: Die direkte Integration von Ammoniak-Crackern in Brennstoffzellensysteme wird intensiv erforscht. Dabei geht es um die Optimierung der Systemeffizienz, die Minimierung von Emissionen (insbesondere NO3) und die Entwicklung kompakter und kostengünstiger Systeme für verschiedene Anwendungen. Das ZBT in Duisburg verfolgte in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg-Essen einen ähnlichen Ansatz und untersuchte die Kombination eines Ammoniak-Crackers mit einer Brennstoffzelle. Obwohl das ursprünglich genannte Forschungsprojekt bis 2022 lief, werden die Forschungen auf diesem Gebiet fortgesetzt.

  • Power-to-Ammonia (PtA): Die Herstellung von "grünem" Ammoniak durch die Nutzung erneuerbarer Energien ist ein entscheidender Faktor für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft. Das Haber-Bosch-Verfahren, das traditionell zur Ammoniaksynthese eingesetzt wird, ist energieintensiv (450°C und 120-220 Bar Überdruck) und basiert bislang nahezu ausschließlich aus fossilen Energieträgern (Erdgas). Daher wird intensiv an alternativen Verfahren geforscht:

  • Elektrochemische Ammoniaksynthese: Die "Solid State Ammonia Synthesis (SSAS)" und ähnliche elektrochemische Verfahren ermöglichen die direkte Synthese von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff (gewonnen durch Elektrolyse von Wasser mit erneuerbarem Strom) bei niedrigeren Temperaturen und Drücken. Obwohl diese Verfahren noch im Entwicklungsstadium sind, bieten sie ein großes Potenzial für eine dezentrale und CO2 - neutrale Ammoniakproduktion. Es gibt Fortschritte bei der Entwicklung von Katalysatoren und Elektrolyten, die die Effizienz und Ausbeute dieser Prozesse verbessern sollen.

  • Fortschritte in der Elektrolyse: Die Effizienz der Wasserelektrolyse, die zur Gewinnung von Wasserstoff für die Ammoniaksynthese benötigt wird, wird durch neue Technologien wie z.B. die AEM- (Anion Exchange Membrane) und SOEC-Elektrolyse (Solid Oxide Electrolysis Cell) stetig verbessert.

Anwendungen:

Die Entwicklung von Anwendungen für Ammoniak als Energieträger und Energiespeicher sind bereits seit über 10 Jahren Thema für die Forschung und Entwicklung. Von der öffentlichkeit kaum bemerkt haben sie bereits erste Lieferketten gebildet und Pilotprojekte testen den Einsatz von Ammoniak in folgenden Sonderfällen:

  • Schifffahrt und Schwerlast-Fahrzeuge: Ammoniak wird als potenzieller Kraftstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge, insbesondere im Schwerlastverkehr und in der Schifffahrt, untersucht. Wegen der langen Transportstrecken und der benötigten hohen Leistung ist eine Elektrifizierung problematisch. Neben der Umwandlung in elektrischen Strom kann Ammoniak auch als Schiffskraftstoff direkt im Verbrennungsmotor genutzt werden. Erste Containerschiffe mit Ammoniak-Verbrennermotoren werden z.B. von der Großreederei Maersk bestellt. Der Vorteil dabei: In Ammoniak ist kein Kohlenstoff vorhanden, der CO2 erzeugen könnte. Allerdings erfordert der Einsatz von NH3 ein angepasstes Regelwerk, um die vermehrte Entstehung von z.B. Lachgas (Distickstoffmonoxyd, N2O, starkes Klimagas) zu vermeiden.

  • Stationäre Energiespeicherung: Ammoniak kann als saisonaler Energiespeicher dienen, um überschüssige erneuerbare Energie in Zeiten hoher Produktion zu speichern und bei Bedarf wieder in Strom umzuwandeln. Wegen der moderaten Lagerbedingungen ist auch eine längerfristige Lagerung (Saisonalspeicher) denkbar.

  • Offgrid- und Mikrogrid-Anwendungen sowie BHKW: Wie bereits erwähnt, eignet sich die Kombination aus Ammoniak-Speicherung und Brennstoffzellen hervorragend für die Versorgung abgelegener Gebiete oder die Notstromversorgung. Auch stationäre Blockheizkraftwerke können durch die Kraft-Wärme-Kopplung Ammoniak als Energieträger vorteilhaft nutzen. Beispielhaft sei ein Projekt aus Deutschland genannt: "NH3-Stat" an der Rostoker Universität soll bis 2027 das Potential von Ammoniak als Treibstoff für stationäre Stromerzeugung und Netzstabilisierung untersuchen.

  • Düngemittelherstellung: Die bei weitem größte Anwendung für Ammoniak mit nahezu 200 Millionen Tonnen jährlich macht die Herstellung von Stickstoff-Dünger aus, z.B. Harnstoff (auch als Reduktionsmittel im SNCR-Verfahren bei Dieselmotoren im Einsatz). Wegen des enormen Bedarfs gibt es hier auch die meisten, bereits weit fortgeschrittenen, industriellen Kooperationen, um mit grüner Wasserelektrolyse hergestellten Wasserstoff zur Düngemittelprodukten zu nutzen.

Die Forschung und Entwicklung im Bereich der Ammoniak-basierten Wasserstoffspeicherung und -nutzung schreitet - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - stetig voran. Es gibt vielversprechende Ansätze, um die Effizienz der Ammoniak-Aufspaltung und -Synthese zu verbessern und die Technologie in verschiedene Anwendungsbereiche zu integrieren. Ammoniak stellt zudem vor allem für den Import von grünem Wasserstoff über lange Strecken eine vergleichsweise günstige Option dar. Auch, weil die bereits existierende Infrastruktur sich ohne einen allzu großen Aufwand umbauen und erweitern ließe.

Ammoniak ist eine Chance mit Einschränkungen

Es gibt jedoch auch Bedenken, die nicht unbeachtet bleiben dürfen. Ammoniak ist für Wasserlebewesen sehr giftig und auch in der Luft ab einer Konzentration über 0,1 Volumenprozent potenziell tödlich für Menschen. Bereits bei der Herstellung können Stickstoffverbindungen freigesetzt werden, die klimaschädlich sind. Hinzu kommen niederschwellige Leckagen (siehe Methan aus alten Bohrlöchern), größere Störfälle und die massive Nutzung in Verbrennungsmotoren können ebenfalls zu einem vermehrten Eintrag von Ammoniak und NOx-Verbindungen in den natürlichen Stickstoff-Kreislauf führen. Der Einfluß dieses anthropogen verursachten Eintrags, der bereits durch die Nutzung von Stickstoffdünger erheblich zugenommen hat, ist derzeit Gegenstand mehrerer Forschungsprojekte.

Durch die vielen Prozessschritte (Elektrolyse, Synthese, Aufspalten, Brennstoffzelle) ist zudem die Energiebilanz (aufzuwendende Energie zu nutzbarer Energie) vergleichsweise niedrig und es muß die Frage erlaubt sein, ob Erneuerbare Energien nicht anderswo optimaler genutzt werden können.

Diese Bedenken sind wichtig und müssen in die Abschätzung für das Potential von Ammoniak als Energieträger und -speicher einfließen. Positiv dabei ist, dass NH3 eine wohlbekannte Chemikalie ist und weltweit großtechnisch eingesetzt wird. Bereits der Austausch des fossilen Wasserstoffs zur Herstellung von Dünger durch regenerativ produzierten Wasserstoff wäre ein Gewinn für die Bemühungen, die Erderwärmung zu begrenzen.