Dass die Ära des Verbrennungsmotors nach über 100 Jahren langsam zu Ende geht, kann kaum noch geleugnet werden. In allen wichtigen Herstellerländern für Kraftfahrzeuge ist die Diskussion um alternative Antriebsenergien entbrannt.
Dieser Wandel wurde nicht durch die früher beschworenen, endlichen Reserven an den primären Energieträgern Erdöl und Erdgas angestoßen, sondern der immer deutlicher werdenden Folgen des Klimawandels. Dazu kommt mehr und mehr, dass die Megacitys dieser Welt in ihren selbst produzierten Abfallströmen zu ersticken drohen.
Stuttgart ist in Deutschland ein im weltweiten Vergleich kleines Beispiel dafür, dass die Gesundheit der Einwohner wichtiger wird wie die Einkünfte aus der Fortführung der Verbrennungsmotor-Technik. Denn in Millionenstädten hat der Smog längst Dimensionen angenommen, die nicht mehr geleugnet werden können und volkswirtschaftliche Folgen hat.
Die Elektrifizierung des Antriebs bietet die Möglichkeit, dieser Luftverschmutzung wirksam zu begegnen. In etlichen Städten des Fernen Ostens überwiegen mittlerweile elektrisch angetriebene Fahrzeuge, vor allem Fahrräder und Motorräder.
Doch so lange der dafür benötigte Strom aus primären Energieträgern wie z.B. auch Braunkohle hergestellt wird, handelt es sich nur um eine Emissionsquellenverlagerung. Denn statt in vielen einzelnen Verbrennermotoren produziert das Kraftwerk in etwa äquivalent viel CO2 (und weitere klimawirksame Gase) außerhalb der Megacity. Das hat durchaus Vorteile für das Makroklima in der Stadt, ist aber global gesehen keine Abgasreduktion.
Die Lithium-Ionen-Batterietechnologie ist die derzeit am weitest fortgeschrittene und eingeführte Technik, um einen Fahrzeugantrieb alternativ mit Energie zu versorgen. Am Rande sei erwähnt: sehr viele Eisenbahnnetze transportieren schon lange rein-elektrisch Milliarden von Menschen jährlich.
Doch es gibt auch Alternativen, deren Reifegrad je nach Betrachtungsweise sogar weiter ist wie der der Lithium-Ionen-Technik. Doch sie spielen bei richtungsweisenden Entscheidungen in Deutschland im Moment eine untergeordnete Rolle. Denn alle Varianten, die einen Ersatz der Verbrennung von Primärenergieträger versprechen, sind extrem teuer. Nicht undbedingt die Technologie selbst, sondern die dafür aufzubauende Infrastruktur. Andere Länder und Marken sind jedoch zum Teil bereits deutlich weiter wie deutsche Hersteller und die Politik selbst und zeigen uns, was möglich ist.
Alternativen und Grenzen
Motoren mit Erdgas zu betreiben ist eine beherrschte und in der Serienproduktion angekommene Technologie. Das Erdgas durch Wasserstoff zu ersetzen, stellt motortechnisch niemanden vor unlösbare Probleme. Auch Bioethanol oder Biogas sind Lösungen, die leicht technisch in der Motortechnologie umsetzbar sind. Und ob der Strom nun regenerative durch Wasserkraft oder Windenergie erzeugt wurde oder in einem Steinkohlekraftwerk ist dem Elektromotor im Kraftfahrzeug herzlich egal.
Doch 100 Jahre Etablierung der Energieträger Benzin und Diesel zeigen sich auch deutlich in der dazugehörigen Infrastruktur. Das beginnt bei der ausgereiften Erdöl-Exploration, den riesigen Tankerflotten auf den Weltmeeren und zeigt sich schlussendlich an dem dichten Netz an Tankstellen. Eine parallele Infrastruktur mit annähernd dem gleichen „Komfort-Faktor“ aufzubauen, ist weder bei Wasserstoff als Energieträger noch chemisch gebundener elektrischer Ladung in Lithium-Batterien in Sicht. Mehr als 14.000 Benzin- und Dieseltankstellen in Deutschland stehen einige wenige Hundert Erdgas- und Elektrotankstellen gegenüber. Darüber hinaus steht kein etabliertes Transport- und Verteilnetz für z.B. tiefgekühlten Wasserstoff zur Verfügung, das bei einem massiven Bedarfsanstieg den Belastungen standhalten würde.
Man könnte meinen, dass Bioethanol eine Alternative darstellen könnte. Dieser saubere „Biobrennstoff“ wird in immer größeren Mengen nur noch aus Abfall-Stoffen gewonnen, die nicht mehr zur Lebensmittelgewinnung oder als Futtermittel dienen. Das Tankstellennetz müsste nur unwesentlich umgebaut werden, damit man zukünftig sogar 100% Bioethanol und vergleichbare Brennstoffe tanken könnte. Doch selbst mit großen Anstrengungen würde die produzierbare Menge in der dichtbesiedelten Europäischen Union weit hinter den Bedarfsmengen zurückfallen. Selbst in Verbindung mit synthetisch hergestellten Brennstoffen (Power-to-Liquid) z.B. aus Wasserstoff -> Methanol gelänge das zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Und die Auslagerung der Produktion von Ausgangsmaterialien für die Ethanolgewinnung aus Biomasse (vor allem Soja) führt zu massiven, negativen Auswirkungen in den Herstellerländern.
Es bleibt also für Politik, Fahrzeughersteller und Gesellschaft eine Frage, welche der vielen denkbaren Alternativen zum Erdöl/Erdgas ausgebaut werden soll. Alle haben ihren Charme, aber auch ihre Herausforderungen. Und nicht die beste Lösung in Deutschland muss auch die beste Lösung für andere Absatzmärkte sein. Denn bei vergleichbaren Lösungsansätzen hinsichtlich Durchführbarkeit und Nutzen können sich andere Regionen in der Welt für den Ausbau eines anderen Energieträgers entscheiden.
Vermutlich ist es bereits entschieden, welches Energiesystem 2030 das Gros der dann gefertigten Fahrzeug antreibt. Doch globale Entwicklungen genauso wie Fortschritte in den technologischen Bereichen (Elektrolyse von Salzwasser, Lebensdauererhöhung von Brennstoffzellen, ertragreichere Herstellung von Biogasen, Einsatz von Algen und Photosynthese, neue, bessere Batteriechemie) und der Gesellschaft (Aufgabe des Individualverkehrs zu Gunsten alternativer Transportkonzepte bis hin zum autonom fahrenden Auto) können diese Entscheidung revidieren. Es wird ein spannendes Jahrzehnt werden!
Das dieser kurze Einstieg in das sehr umfassende und umfangreiche Thema nicht befriedigend alle Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten aufzeigen kann, ist dem Autoren bewusst. Schon alleine die Frage, wie Wasserstoff zukünftig hergestellt werden wird - durch Dampfreformierung von Erdöl oder durch Elektrolyse mit regenerativ gewonnenen Strom - würde Seiten füllen können. Die Diskussion ist angestossen und das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Denn weiter wie bisher mit dem Verbrennungsmotor ist nicht die Alternative.
Nachtrag:
Der ADAC hat zusammen mit einem Forschungsinstitut Mitte 2018 berechnet, ab wann sich ein Elektrofahrzeug hinsichtlich seiner CO2 Belastung gegenüber einem Verbrennermotor "rechnen" würde. Ab wann also die CO2-Bilanz für das Elektroauto nicht nur als "lokal CO2-freie" Fortbewegungsmethode spricht (Annahme: 150.000 km Gesamtlaufleistung). Dabei kamen auch die Herstellungskosten und Recycling mit ins Kalkül. Hier ein kleiner Auszug:
Oberklasse gegenüber Dieselantrieb
Bei aktuellem Strommix erst nach ca. 580.000 km (wegen des hohen Gewichts)
Bei 100% regenerativ gewonnenem Strom nach ca. 70.000 km
Mittelklasse gegenüber Dieselantrieb
Bei aktuellem Strommix erst nach ca. 57.000 km
Bei 100% regenerativ gewonnenem Strom nach ca. 23.000 km
Kleinwagen gegenüber Dieselantrieb (wegen der geringen Laufleistung und des geringen Gewichts)
Bei aktuellem Strommix erst nach ca. 110.000 km
Bei 100% regenerativ gewonnenem Strom nach ca. 25.000 km
Es zeigt sich, dass Elektro nur unter bestimmten Voraussetzungen und mit den heute verfügbaren Möglichkeiten der Batterieherstellung eine umweltfreundliche Lösung ist. Wird Strom aus fossilen Brennstoffen gewonnen, ist der Umweg über die Batterie ganzheitlich betrachtet keine wirklich vorteilhafte Lösung. Doch neue Entwicklungen in der Batteriechemie, die Nutzung regenerativ gewonnener Energie bei der Batterieherstellung (z.B. Nothvolt mit Wasserkraft) und auch verändertes Mobilitätsverhalten (vermeidung von Staus durch Vernetzung, kurze Transportwege für Güter, verbesserter OPNV usw.) tragen dazu bei, die Elektromobilität voran zu bringen.
(Mai 2019, © Gerald Friederici)