Entfernt man einmal gedanklich alle Bestandteile, die auch ein klassische Verbrenner-Auto ausmachen, bleiben die wesentliche Bestandteile eines batterieelektrischen Fahrzeugs (BEV) übrig. Zusätzlich zu diesen Fahrzeug-spezifischen Komponenten kommt noch die Ladesäule als Schnittstellen zum öffentlichen Verteilnetz dazu. An allen Stellen sorgen elektrische Isolierstoffe für die Sicherheit.
Vom Verteilnetz in die Hochvoltbatterie
Die Stromversorgung für Elektrofahrzeuge (EVs) umfasst mehrere Ebenen vom Niederspannungsnetz (NS-Netz) bis zum elektrischen Fahrzeug (BEV, Hybrid) selbst.
Die erste Ebene ist die Stromversorgung aus dem Verteilnetz. Auf den Spannungsebenen 230V und 400V wird Wechselstrom zum Laden verwendet. Die erzielbare Ladeleistung ist auf 22 kW (400V, 32 A) begrenzt. Schnelladestationen arbeiten mit einer Gleichspannungslösung, bei der die Spannung 400 V bis 1000 V beträgt. Damit sind – zurzeit -Ladeleistungen bis zu 350 kW möglich.
Die nächste Ebene ist die Stromübertragung (ISO 15118). Von der Ladestation geht es über entsprechende Anschlusskabel (Typ 2, CCS) in das Fahrzeug. Auf beiden Seiten des Anschlusskabels gibt es Kommunikations-/Überwachungselektronik und Hochstrom-Lasttrenner zum Schutz vor Fehlfunktionen. Die Kabel sind bei hoher Ladeleistung meist aktiv gekühlt, da bei bis zu 450 A Ladestrom auch minimale Übergangswiderstände Wärme erzeugen.
Die letzte Ebene ist das Fahrzeug selbst. Beim DC-Anschluss sitzt der Gleichrichter in der Ladesäule (AC/DC Wandler) und ist für die Umwandlung der aus dem Netz kommenden Wechselspannung in Gleichstrom zuständig. Beim Wechselspannungsanschluß wird diese Aufgabe meist vom OBC (On Board Charger) übernommen. Zuletzt wird der elektrische Strom in der Batterie in chemisch gespeicherte Energie umgewandelt.
Die Komponenten des Lade- und Antriebstrangs
Wesentliche Bestandteile des elektrischen Hochvoltstrangs von batterieelektrischen und hybriden Fahrzeugen sind:
Neben Werkstoffen, die für die strukturelle Integrität zuständig sind (z.B. Unterbodenverkleidung und Gehäusewannen der HV Batterie), den elektromagnetisch wirkenden Komponenten (Elektrobleche, Kupferdraht-Wicklungen, Schirmungen etc.) und Elektronikgehäusen als Schutz vor Umwelteinflüssen (z.B. bei Umrichter, BDU oder HV-Klimaanlage) sind insbesondere Kunststoffe in Form von Spritzgussteilen (z.B. Abstandhalter, Batterierahmen) oder Folien (z.B. Isolation Batteriepack zu Batteriegehäuse) und Vergussmassen (Elektronikbaugruppen) für die elektrische Sicherheit zuständig.
Die UN Global Technical Regulation No. 20 und IEC 60664
Übergeordnet über IEC, JAE, UL oder andere Normen sind von der UN Global Technical Regulations herausgegeben worden. Die UN GTR No. 20 (von der EU 2018 übernommen) legt für die Sicherheit von elektrischen Fahrzeugen Grundregeln fest. In Abschnitt 7.3.12.1. steht dazu beispielsweise:
Das Fahrzeug muss eine Vorwarnanzeige bereitstellen, die das Verlassen des Fahrzeugs innerhalb von 5 Minuten vor dem Auftreten einer Gefahrensituation im Fahrgastraum ermöglicht, wenn durch einen internen Kurzschluß (im Batterypack) es zu einer thermischen Ausbreitung mit Folgen wie Feuer, Explosion oder Rauch kommt.
Auch Normen wie z.B. die IEC 61851 oder ISO 12405 befassen sich mit Sicherheitsaspekten im Rahmen des elektrischen Antriebs von BEV-Fahrzeugen. Allen gemeinsam ist das Bewusstsein, dass die elektro-chemische Energie, die in der Batterie gespeichert ist und die verwendete HV-Spannung im Fehlerfall lebensgefährlich sind.
Sie alle greifen in Bezug auf die elektrische Sicherheit schlussendlich auf die Basis- und Querschnittsnorm IEC 60664 zurück. Die Niederspannungsrichtlinie legt Mindestanforderungen für die elektrische Sicherheit fest. Das betrifft beispielsweise die Luft- und Kriechstrecken, jedoch auch Anforderungen an Mindestdicken und Entflammbarkeit, den Thermischen Index und weitere konstruktive Anforderungen oder Materialeigenschaften.
Anforderungen und Materialangebot
Besonders in Kraftfahrzeugen mit einem limitierten Platzangebot für die elektrischen Komponenten und dem Ziel, das notwendige zusätzliche Gewicht gering zu halten, werden immer wieder die Grenzen von Isolierstoffen erreicht. In vielen Bereichen der Elektrotechnik sind beispielsweise Isolierwerkstoffe im Einsatz, die mit Wärmeklasse A (105°C) oder Wärmeklasse B (130°C) völlig ausreichend sind. Doch bei kleinem Bauraum und hoher Leistung können schnell Betriebstemperaturen erreicht werden, die darüber hinaus gehen. Ein „Quasistandard“ ist derzeit die Anforderung, einer Erwärmung auf 150°C widerstehen zu können. Gleichzeitig fordern viele Komponentenhersteller eine Entflammbarkeit nach UL94 V0, eine sehr gute Hydrolysebeständigkeit und z.B. die Fähigkeit, Teilentladungen standhalten zu können.
Diese Kombination aus Anforderungen reduziert die Materialauswahl häufig sehr stark auf wenige geeignete Produkte. Diese sind in vielen Fällen zudem teuer und werden oft nur von wenigen oder einem Hersteller angeboten.
So gibt es für die Anforderung
nur wenige Produkte im Bereich der z.B. Isolationsfolien, die alle technischen Werte erfüllen – und preiswert sind.
Die zum Teil etwas herausfordernd erscheinenden Werte resultieren einerseits aus Normforderungen (zum Beispiel reduziert sich die vorgeschriebene Kriech-Strecke über die Oberfläche eines Isolators mit einem besseren CTI-Wert), andererseits sind gerade in Elektrofahrzeugen die Bauteile einem starken Klima-Wechsel ausgesetzt.
Gegenüber dem Einbau in z.B. einem Schaltschrank in einer Werkhalle, verkürzt sich die Zeit für einen sicheren Einsatzes von Isolationsprodukten in Elektrofahrzeugen durch die Vibrationen aus dem Fahrbetrieb, chemischer Einwirkungen durch Betriebsstoffe, die hohen Spannungsniveaus des Antriebstrangs und durch die klimatischen Rahmenbedingungen erheblich. Hier zeigt sich eine der Stärken der IEC 60664, die an zahlreichen Stellen Vorgaben macht, die auf jahrzehntelangen Erfahrungen im Feld beruhen. Sie tragen auch bei diesen „neuen“ Anwendungen dazu bei, einen sicheren elektrischen Betrieb zu gewährleisten.
Eine Art von doppeltem Boden: Die Isolationsüberwachung (IMD)
Neben den eher passiven Schutzprodukten, die Basis- und verstärkte Isolationen darstellen, sind im ungeerdeten BEV zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um die elektrische Sicherheit permanent sicher zu stellen. Dazu dient die interne Isolationsüberwachung, die permanent den Isolationswiderstand der beiden HV-Spannungen (Plus und Minus) gegenüber der Erde (Fahrzeugmasse) überwacht. Im Fehlerfall sorgt das IMD dafür, dass die Hochspannung an der HV-Batterie vom restlichen Fahrzeug getrennt wird. Diese Abschaltung kann z.B. durch einen Unfall ausgelöst werden. Daneben dient die Überwachung des Isolationswiderstands jedoch vor allem, die fortschreitende Degradation von Isolierlacken, elektrischen Isolationsfolien, Vergußmassen, Flächenisolierstoffe oder die Überbrückung von mechanischem „Abstand“ durch Kriechströme rechtzeitig vor einem Schadensereignis (Kurzschluß, Funktionsausfall) zu erkennen.
Fazit
Besonders in sehr kompakt gehaltenen Geräten und Komponenten kann die Einhaltung von Normforderungen in Hinsicht der erforderlichen Eigenschaften, dem Preis und der Verfügbarkeit schwierig werden. Dennoch ist jeder Entwickler gut beraten, die Anforderungen aus der Niederspannungsrichtlinie (IEC60664) nicht leichtsinnig als „übertrieben“ abzustempeln.
Die Angaben in der Norm berücksichtigen nämlich einen wichtigen Aspekt: der Verlust an Isolationsfähigkeit über die Zeit. Hersteller geben für die Leistung ihrer Produkte die Daten im Neuzustand an – nach 10 Jahren in einem Fahrzeug werden diese Werte in nahezu 100% der Fälle nicht mehr erreicht. Eine zu knapp bemessene Isolation kann dann zu einem Feldausfall führen, der – so spät bemerkt – fatale Folgen hat. Vor allem für den Ruf des Unternehmens, aber gegebenenfalls auch für die Passagiere.