Der zweitlängste Fluß Italiens entspringt am Reschenpass. Für die nächsten 200 km bestimmt er den Namen des Tals, durch das er fließt: das Etschtal.
Das Gebiet von der Quelle bis nach Töll knapp südlich von Meran wird als der Vinschgau bezeichnet. Eine Landschaft, die umgeben ist von hohen Bergen über 3.000 m und sehr steilen Seitenhängen. Pro Kilometer horizontalem Abstand erreichen hier die Hänge bis zu 2700 m Höhendifferenz – rekordverdächtig in den Alpen. Die südwärts gerichteten Hänge des vorwiegen von West nach Ost verlaufenden Tals sind durch die intensive Sonneneinstrahlung ausgesprochen trocken, während die gegenüberliegende Talseite weitgehend bewaldet ist. Die hohen Berge schirmen zusätzlich das Tal ab, was zusätzlich die Niederschlagsarmut verstärkt.
Die geschützte Lage und die lange Vegetationsperiode ermöglicht auf der anderen Seiten eine reiche Ernte. Daher ist die künstliche Bewässerung seit jeher eine agrarwirtschaftliche Notwendigkeit – sehr zur Freude von heutigen Wanderern. Denn schon früh legte man schmale Gräben an, die weitgehend waagrecht Wasser von den wenigen Gebirgsbächen zu den Anbauflächen brachten. Insgesamt fast 600 km dieser sogenannten „Waale“ wurden angelegt, um den intensiven Wein- und späteren Apfelanbau auch in trockenen Sommern mit Wasser zu versorgen.
Heute werden Waale wie der Marlinger- oder der Algunder Waal liebevoll erhalten und bieten eine herrliche Wandermöglichkeit ganz ohne Anstrengung. Leider sind viele andere Waale inzwischen durch Plastikrohre ersetzt oder verfallen ganz. Doch noch gibt es etliche weitere solcher künstlichen Bachläufe, die man auf Rundwegen mit einbauen kann.
Ein weiteres Highlight ist der Meraner Höhenweg. Auf einer Höhe von 1.300 bis 1.800 m verläuft er weit oberhalb des Passeiertals und des Meraner Talkessels sowie des Vinschgaus. Einzelne Seilbahnen ermöglichen es, auch einzelne Teilstücke zu erwandern, ohne gleich sieben bis neun Tage von Gasthof zu Gasthof wandern zu müssen. Viele der von unten steil aufragenden Berge haben in dieser Höhe eine Abflachung, so dass sich Gehöfte dort angesiedelt haben – so z.B. über Naturns oder Tarsch oder St. Martin/Latsch.
Eines wird jedem Besucher des Vinschgau sofort auffallen: Nahezu jedes Fleckchen Erde wird genutzt für den landwirtschaftlichen Anbau. Man mag es kaum glauben, dass auf dem doch vergleichsweise kleinen Gebiet des Vinschgau und Meraner Beckens jedes Jahr knapp 1 Million Tonnen Äpfel geerntet werden – doch angesichts der riesigen Apfelplantagen relativiert sich die unvorstellbare Zahl.
Der von Geschiebe aus dem Gebirge abgeflachte Talboden mit seinen zum Teil gewaltigen Schuttkegeln bietet ideale Anbaubedingungen, so dass jeden Oktober zahllose Spezialanhänger mit ganz typischen Kunststoffkisten tonnenweise Äpfel aus den Plantagen zu den Sammelstellen bringen – auf der einzigen durchgehenden Strasse, der „Staatsstrasse“ durchaus auch mal ein Hindernis für den dichten Verkehr.
Doch wer Zeit hat, den wird es nicht stören, von Graun am Reschensee aus langsam die gewaltige Schuttfläche hinab nach Glurns und dann über Schluderns nach Lasa und Kortsch zu fahren. Mit der nächsten Geländestufe erreicht man dann Goldrain und über Latsch und Kastelbell erreicht man bei Tschars/Tschirland die Burg, die durch Reinhold Messner weltbekannt geworden ist: Schloss Juval.
Ist man schließlich durch Rabland und Partschins hindurch, erreicht man mit Algund das Meraner Talbecken und damit das Ende des Vinschgau.
Das Gebiet zwischen Texelgruppe und Ortler bietet genug Wandermöglichkeiten, um von einem verlängerten Wochenende bis zu einem ganzen Sommerurlaub ausreichend Abwechslung zu bieten. Auch vom Anspruch findet man zwischen ebenen Waalwegen bis zu alpinen Herausforderungen mit Gletscher- und Felskletterei gewiss eine persönlich passende Nische. Und mangels einer immer weniger langen Skisaison hat man sich bei den Seilbahnen inzwischen darauf eingestellt, im Sommer Mountainbiker in alpine Höhen zu befördern.