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Man muß nicht alles wissen! Nur, wo es steht!

Erhöhung der Stringspannung auf 1.500 VDC

Fuhren die ersten Elektrofahrzeuge mit Batteriespannung bis etwa 300 VDC, erreichen leistungsstarke Antriebe im Sportwagen oder im Lastenverkehr durchaus 1.000 VDC. Der Grund dafür ist bei Fahrzeugen leicht zu finden: Gewichtseinsparung. Auch in der Solarenergie spielt diese Spannungserhöhung eine wichtige Rolle.

Rein rechnerisch ermöglicht die Erhöhung der Modulreihenspannung von 1.000 VDC auf 1.500 VDC eine deutliche Kostenreduktion. Der benötigte Leiterquerschnitt reduziert sich wegen der geringeren Stromstärke und die Verluste durch den Ohmsche Widerstand sinken beträchtlich. Die Effizienz der Anlage verbessert sich bei 1.500 VDC ebenfalls und viele Komponenten können kleiner, leichter oder weniger zahlreich ausfallen (z.B. String Balancer und Power Optimizer, Combiner Box, MPPT).

Seit einigen Jahren gibt es - vor allem durch die Wide-Bandgap Halbleiter (SiN, GaN) - geeignete Schalter für die hohen Spannungen. Durch die sehr hohe Schaltgeschwindigkeit (dU/dt) sind auch extrem hohe Wirkungsgrade möglich (>98%). Als negative Nebeneffekte sind das höhere EMI-Niveau und das ggf. kniffligere Wärmemanagement zu nennen.

Die Erhöhung der Feldspannung von 1000 VDC auf 1500 VDC erfordert jedoch nicht nur bei den Halbleitern eine entsprechende Anpassung. Die verwendeten (AC) Leitungen müssen für erhöhte Prüfspannungen von 6000 V (Overvoltage Category II; IEC 62109-1) oder 8000 V (Overvoltage Category III) ausgelegt sein. Auch die Luft- und Kriechstrecken sind (Isolationskoordination, IEC 60664) nochmals erheblich größer. Üblicherweise wird man von einer Verschmutzungsklasse II ausgehen können, was mehrere Millimeter mehr Abstand gegenüber 1000 VDC erfordert. Gleichspannung hat zusätzlich den Nachteil, dass ein einmal gezündeter Lichtbogen nicht durch den Nulldurchgang bei der Wechselspannung wieder verlöscht.
Das noch höhere Spannungsniveau beeinflusst naturgemäß auch zeitlich verzögerte „Abnutzungsphänomene an Isolationsmaterialien“ wie beispielsweise Kriechwegbildung, elektrochemische Migration oder Teilentladungen. Die höhere Feldstärke beschleunigt diese Prozesse. Zudem hat man bei 1.500 VDC schon lange das Spannungsniveau erreicht, bei dem sich Umgebungsluft ionisieren lässt. Gerade in Voids (Luftblasen, Delaminationen, Verschmutzungen; zum Beispiel im Verguß) kann als Folge der hohen Feldstärke eine Teilentladung zünden. Bei Gleichspannung ein fataler Vorgang, sollte die Teilentladungs-Aussetzspannung unter der Betriebsspannung liegen.

Gerade der Einsatz im Freifeld und unter stark wechselnden Temperaturbedingungen erfordert eine fachkundige Aufstellung und entsprechend geeignete Produkte. Eine fehlerhafte Erdung führt z.B. zu elektrisch induzierter Korrosion und in deren Folge zur Abschaltung eines ganzen Strings (Isolationsüberwachung). Ein unzureichend ausgeführter Potentialausgleich dagegen lässt Gleichstrom-Lecks entstehen und die extremen Klimawechsel unter hohem spannungsinduziertem Stress können Isolationswerkstoff frühzeitig altern lassen.

Noch kritischer für elektrische Isolationswerkstoffe sind die Überspannungen in den DC/DC- und DC/AC-Konvertern. Bereits bei der Betriebsspannung von 1000 VDC entstehen im Zwischenkreis sehr hohe Spannungen. Eine weitere Steigerung auf 1.500 VDC erhöht die Belastung der Isolationsmaterialien nochmals erheblich. Ein Teil des „Gewinnes“, den man bei der Erhöhung der Betriebsspannung z.B. durch geringere Kupferquerschnitte erreicht, geht also wieder durch einen Mehraufwand bei der Materialauswahl, den Gerätekosten und die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen verloren.

Vorteil der höheren Kreisspannung

Die Kosten für regenerativen Strom aus der Solarenergie sind von vielen Faktoren abhängig. Die Erhöhung der Feldspannung bis in die Grenzbereiche der Niederspannungsrichtlinie gehört zu den möglichen Einsparpotentialen. Diese Einsparungen zeigen sich zunächst vor allem bei den Investitionskosten. Denn es sind weniger Wechselrichter, Stringverteilungen, Kupferdraht-Querschnitte usw. notwendig. Doch längerfristig sind auch die Betriebs-/Wartungskosten durch die verringerte Geräteanzahl niedriger. Der erweiterte Spannungsbereich erleichtert zudem die Speisung von großen Batteriespeichern. Diese erreichen inzwischen durchaus den Bereich von mehreren zig Megawatt und bieten netzdienliche Funktionen wie Frequenzstabilisierung oder das Managen von Netzengpässen. Batteriespeicher ermöglichen ganz allgemein eine leichtere Integration der volatilen Energieerzeugung in die bestehende Infrastruktur.

Zwar ist im Moment durch die Niederspannungsrichtlinie eine Begrenzung bei 1.500 VDC vorhanden. Doch es gibt starke Bestrebungen, diese Grenze auf 3.000 V anzuheben (siehe IEC/TS 62993:2020). Dazu sind aber noch zahlreiche technische Untersuchungen notwendig und müssen entsprechende Geräte und Bauteile auch kommerziell verfügbar sein. Standardisierungsbemühungen für DC-Microgrids konzentrieren sich derzeit auf eine Nennspannung von 750 VDC. Große Solaranlagen auf den Gebäuden und Batteriespeicher im MW-Bereich helfen, den Verbrauch an netzgespeistem Strom deutlich zu reduzieren. Für große Leistungen z.B. in ganzen Industrieparks könnte eine DC-Grid-Spannung darüberliegend durchaus interessant werden.

Normen zu dem Thema u.a.:

IEC 62109 Sicherheit von Wechselrichtern zur Anwendung in photovoltaischen Energiesystemen

IEC 60664 Isolationskoordination in Niederspannungsanlagen

IEC/TS 62993:2020 Leitfaden zur Bestimmung von Luftstrecken, Kriechstrecken und Anforderungen für feste Isolierung für Betriebsmittel mit einer Bemessungsspannung über 1 000 V Wechselspannung und 1 500 V Gleichspannung bis zu 2 000 V Wechselspannung und 3 000 V Gleichspannung

© Gerald Friederici, 2024