Skip to main content
Man muß nicht alles wissen! Nur, wo es steht: www.tekf.de

Schutz für elektronische Baugruppen - Conformal Coatings

Elektronische Geräte und Baugruppen, die in rauen Umgebungen eingesetzt werden, sind vielfältigen schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Verschmutzung, Feuchtigkeit, extreme Temperaturen und Vibrationen können zu Fehlfunktionen und im schlimmsten Fall zum Ausfall führen. Conformal Coatings, Schutzbeschichtungen, bieten einen effektiven Schutz gegen diese Umwelteinflüsse und gewährleisten so die zuverlässige Funktion der Elektronik.

Schutz für kritische Anwendungen

Der Einsatz von Conformal Coatings ist besonders wichtig in Branchen, in denen die fehlerfreie Funktion der Elektronik lebenswichtig ist. Dazu zählen beispielsweise:

Luftfahrt: Flugzeugsteuerungssysteme, Navigationsausrüstung und Kommunikationssysteme müssen unter allen erdenklichen Bedingungen zuverlässig funktionieren.

Automobilindustrie: Sicherheitssysteme wie ABS, Airbags und elektronische Stabilitätsprogramme (ESP) dürfen durch Umwelteinflüsse nicht beeinträchtigt werden.

Medizintechnik: Lebensrettende Geräte wie Herzschrittmacher, Defibrillatoren und Beatmungsgeräte müssen jederzeit einsatzbereit sein.

Industrieanlagen: Steuerungen und Automatisierungssysteme in Kraftwerken, Chemieanlagen und anderen Industrieumgebungen müssen gegen aggressive Chemikalien, Staub und Vibrationen geschützt sein.

Conformal Coatings sind dünne, flexible Lackschichten, die sich den Konturen der Baugruppe exakt anpassen. Sie bilden eine hocheffiziente Schutzbarriere gegen Feuchtigkeit, Staub, Korrosion, chemische Beeinträchtigungen, Temperaturalterung und Vibrationen. Sie schützen insbesondere auch vor elektrochemischen Prozessen und verbessern unter bestimmten Voraussetzungen die "Verschmutzungsgrad-Klassifizierung" und beeinflussen damit direkt z.B. Kriechweganforderungen.

In Grenzen tragen diese Beschichtungen auch zu einer mechanischen Verfestigung bei (Vibrationsschutz) und Erhöhen die Festigkeit von Lotverbindungen (Solder joints von Leadless Packages).

Normen wie IEC 61086, IEC 60464 oder die technische Beschreibung IPC HDBK-830 behandeln Conformal Coatings im Detail.

Ein recht gutes Beispiel für die Notwendigkeit, aber auch für die  Leistungsgrenzen von Schutzbeschichtungen ist der "C26, C27-Fehler" bei  Tesla`s BMB (Battery Pack Balancing). Durch die Lage am höchsten Punkt  der Platine kommt es hier am ehesten zur Kondensation der Feuchtigkeit  in der Antriebsbatterie. Die Folge ist eine fortschreitende Korrosion  der Kontakte an den SMD-Bauteilen.    

Übliche Materialien für Conformal Coatings

Je nach Anwendung, Geometrie, Anforderungen an den Beschichtungsprozess und anderen Rahmenbedingungen gibt es in der Industrie zahlreiche unterschiedliche Coating-Formulierungen. Sie lassen sich grob in folgende Gruppen (1K und 2K-Systeme) einteilen:

Acryl: Gute Haftung, flexibel, UV-beständig

Silikon: Extrem flexibel, chemikalienbeständig, geeignet für hohe Temperaturen

Epoxidharz: Hohe mechanische Festigkeit, gute chemische Beständigkeit, gute Isoliereigenschaften

Polyurethan: Hohe Abriebfestigkeit, lösemittelbeständig, gute Witterungsbeständigkeit


Beschichtungsprozess

Der Conformal-Coating-Prozess ist komplex und erfordert ein hohes Maß an Präzision. Die wichtigsten Schritte umfassen:

Vorbehandlung: Die Baugruppe muss vor dem Beschichten gründlich gereinigt und getrocknet werden, um eine optimale Haftung des Lacks zu gewährleisten.

Auftragen des Lacks: Der Lack kann mithilfe verschiedener Verfahren aufgetragen werden, z. B. Sprühen, Tauchen oder Selektives Beschichten.

Trocknen: Der Lack muss vollständig getrocknet oder ausgehärtet sein, bevor die Baugruppe in Betrieb genommen werden kann. Dies kann mit Temperatur (Verdunstung), Feuchtigkeitsaushärtung oder UV-Vernetzung erfolgen.

Eine wichtige Voraussetzung für eine gute Versiegelung ist die Vorbehandlung. Wie auch in der Klebetechnik ist die Güte der Haftung (Benetzbarkeit) zum Untergrund von dessen Sauberkeit abhängig. Verschmutzungen (Formtrennmittel, Fingerabdrücke, Lösemittelrückstände) können zusätzlich zu Haftungsproblemen auch zu einer unzureichenden Vernetzung des Schutzlacks führen.

Häufig möchten Serienfertiger mit großen Stückzahlen den aufwändigen Zwischenschritt der Reinigung und Trocknung vermeiden. Die Hersteller von Conformal Coatings berücksichtigen mit spezialisierten Produkten ("No Clean" Produkte) diesen Trend.

Neben dem selektiven Beschichten, beim dem nur die Bereiche der Baugruppe lackiert werden, die geschützt werden müssen, gibt es auch das Tauchlackieren. Dieses Verfahren verbietet sich jedoch bei Baugruppen, in denen Teilbereiche frei von Lack bleiben müssen (z.B. Sensoren oder Stecksysteme).


Messergebnisse und Qualitätskontrolle

Die Qualität der Conformal Coating wird durch verschiedene Tests und Messungen sichergestellt. Dazu gehören:

Schichtdickenmessung: Die Dicke der Lackschicht muss an verschiedenen Stellen der Baugruppe gemessen werden, um eine gleichmäßige Abdeckung zu gewährleisten.

Wassertest: Die Baugruppe wird einer definierten Wassermenge ausgesetzt, um die Wasserbeständigkeit der Beschichtung zu prüfen.

Temperaturtest: Die Baugruppe wird extremen Temperaturen ausgesetzt, um sicherzustellen, dass die Beschichtung nicht reißt oder splittert.

Adhäsionstest: Die Haftung der Beschichtung auf der Baugruppe wird mithilfe eines Klebebands oder anderer Verfahren getestet.

Kondensationswiderstandstest: Relativ aufwändiger Test, bei dem Testobjekte für 48 Stunden bis knapp unterhalb des Taupunkts abgekühlt (Kondensation auf dem Schutzlack) werden

Hydrolysetest: Dieser Test dient zur Prüfung der Resistenz von Schutzbeschichtungen gegen Feuchtigkeit und Wärme. Er simuliert extreme Umweltbedingungen, denen elektronische Baugruppen in ihrer Anwendung ausgesetzt sein können. Prinzipielle Testbeschreibung: Prüfkörper werden für 1000 Stunden bei 85°C einer Luftfeuchtigkeit von 85%rH ausgesetzt.

Die Bestimmung des SIR-Wert (Surface Insulation Resistance) ist ein häufig verwendetes Mittel, um Schwachstellen der Schutzbeschichtung zu erkennen und die Güte der Beschichtung zu beschreiben.


Fehlerquellen und Problemlösungen

Neben einer fehlerhaften Prozessführung können bei der Conformal Coating verschiedene Fehler auftreten:

Delamination: Die Beschichtung löst sich vom Untergrund ab, wenn die Baugruppe z.B. Feuchtigkeit ausgesetzt ist. Dies tritt vor allem bei einer unzureichenden Vorbehandlung oder einer falschen Auswahl des Beschichtungsmaterials auf.

Eingeschlossene Luftblasen: Luftblasen in der Beschichtung können zu Fehlstellen führen und die Schutzwirkung beeinträchtigen. Sie entstehen entweder beim Mischen von 2K-Lacksystemen, beim Auftragen oder unter Bauteilen, bei denen die Luftblase keine Möglichkeit zum Entweichen hat (Baugruppengeometrie).

Risse: Risse in der Beschichtung können durch Spannungen entstehen, die durch thermische Ausdehnungsunterschiede zwischen der Beschichtung und der Baugruppe hervorgerufen werden.

Kapillarwirkung: In einem ungünstigen Fall kann z.B. an aufgelöteten Stecksystemen der Schutzlack durch Kapillarkräfte an Stellen vordringen, an denen er stört. Diesen Fehler kann man durch Anpassung der Viskosität oder konstruktive Änderungen vermeiden.

Sharp Edge Coverage: Die sogenannte Kantenflucht (Unterschreiten der erforderlichen Schichtstärke vorzugsweise an scharfen Kanten) stellt ein ernst zu nehmendes Problem dar. Im Spannungsfeld zwischen möglichst großer Prozessgeschwindigkeit und Anforderungen an die Schichtstärke werden gerne schnellfließende, Fließdynamik-optimierte Coating-Materialien mit UV-Aushärtung genutzt. Das kann jedoch an Kanten zu einem verringerten Schutz führen, weil hier die Beschichtung zu dünn ist.

Zusammenfassung

Conformal Coatings sind ein wichtiger Schutz für elektronische Baugruppen, die in rauen Umgebungen eingesetzt werden. Durch die Auswahl des geeigneten Beschichtungsmaterials und einen sorgfältigen Beschichtungsprozess kann die Lebensdauer und Zuverlässigkeit der Elektronik erheblich verbessert werden.