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Man muß nicht alles wissen! Nur, wo es steht!

Energie aus Biomasse - unterschätzt

In der öffentlichen Diskussion haben Wind- und Solarenergie eine herausragende Bedeutung. Jeder kennt den Anblick von Windkrafträdern und auf immer mehr Hausdächern schimmern dunkelblaue Solarpaneele. Nachrichten wie „Der gesamte Strombedarf Deutschlands wurde heute durch Wind- und Solarstrom gedeckt“ erzeugen den Eindruck, dass die Erneuerbaren Energien bereits kurz vor der Ziellinie stehen. Doch das stimmt ganz und gar nicht!

Keine Frage, der elektrische Strom beherrscht seit einem Jahrhundert unser Leben. Kaum ein Produkt, das nicht elektrisch betrieben angeboten wird. Sei es der elektrische Rasenmäher, die elektrisch betriebene Wärmepumpe oder das Elektrofahrzeug. Doch der Primärenergieverbrauch Deutschlands besteht eben nicht nur aus einem Bedarf an elektrischem Strom. Rund die Hälfte der eingesetzten Energie wird für die Wärmeerzeugung (und Kälte) verbraucht. Ein weiteres Viertel des Primärenergiebedarfs wird im Verkehr zur Gewinnung von Bewegungsenergie genutzt. Nur rund 22% des Gesamtverbrauchs ist rein elektrisch.

Das bedeutet im Umkehrschluß, dass regenerativ gewonnener elektrischer Strom selbst im Optimalfall eines windigen und sonnigen Tages nur etwa ¼ des Gesamtenergiebedarfs deckt. Das jedoch auch nur über wenige Stunden, denn Flauten und die tägliche Dunkelpause (Nacht) lassen den Anteil erneuerbarer Energien auch schnell wieder sinken.

Für die Energieerzeugung wurde bis zum Einmarschs Russlands in die Ukraine vorrangig auf Erdgas gesetzt. Zahlreiche Gasturbinen-Projekte aus den Jahren vor 2022 belegen das. Diese Kraftwerke sollten vor allem zur Deckung von Spitzenstrombedarf und zum Ausgleich von fluktuierendem regenerativem Strom dienen. Denn Erdgas galt als die „sauberste“ fossile Energiequelle und war daher als mögliche Brückentechnologie vorgesehen, bis eine Wasserstoffwirtschaft aufgebaut ist.

Lange Zeit standen die fossilen Brennstoffe günstig und reichlich zur Verfügung. Andere Entwicklungen hatten es da schwer, so weit entwickelt zu werden, dass sie kostendeckend und sogar gewinnbringend eingesetzt werden können. Deswegen waren die ersten Biogasanlagen (Klärwerke mit ihren großen Faultürmen kennen die Technologie schon länger) auch eher Eigenversorgungsanlagen. Einen ersten Boom gab es dann ab 2004 durch eine Novelle im Energieeinspeisegesetz (EEG). Durch die Flächenkonkurrenz mit Flächen zur Lebensmittelherstellung und solchen, auf denen „Energiepflanzen“ (vor allem Mais) angepflanzt wurden, kamen die Biogasanlagen schnell in Verruf. Der Gesetzgeber steuerte daher nach und deckelte den Einsatz von Energiepflanzen zur Biogas-Produktion. Heute gibt es Anbieter von Biogas- und Bioethanolanlagen (z.B. EnviTec Biogas aus Lohne) , die vor allem mit Reststoffen aus der Lebensmittelproduktion, Gülle oder Holzwirtschaft arbeiten. Nahezu jedes organische Material (organische Abfälle, Zellulose, Stärke und Zucker) lässt sich durch die bakterielle Zersetzung noch zur Gewinnung von Biomethan einsetzen, weswegen es keine solche Flächenkonkurrenz mehr wie in den Anfangsjahren gibt.

Die folgende Aussage von der Webseite des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung unterstreicht die Bedeutung von Bioenergie zusätzlich:

Biomasse leistet mit einem Anteil von 52 Prozent nach wie vor den größten Beitrag zur Energiegewinnung aus Erneuerbaren, vor Windkraft (knapp 28 Prozent) und Sonnenenergie (Photovoltaik und Solarthermie) (12 Prozent) sowie Wasserkraft (4 Prozent) und Geothermie (4 Prozent).

Der Vorteil von Biogasanlagen liegen vor allem auch darin, dass sie bei ausreichend konstanter Versorgung und Pufferung der vergärbaren Ausgangsstoffe grundlastfähig sind, also einen kontinuierlichen Beitrag zur Stromversorgung leisten können. Die Abwärme kann direkt in ein Fernwärmenetz eingespeist werden und trägt damit erheblich zur Effizienzsteigerung bei. Die Produktion des Biogases erfolgt weitgehend CO2-neutral und durch einfache Reinigungsschritte kann Biogas in Bioerdgas umgewandelt und in das Gasnetz eingespeist werden. Der nach der Vergärung anfallende Feststoff kann als hochwertiger Dünger eingesetzt werden.

Wie bei allen anderen Formen der regenerativen Energie ist auch Biogas/Biomethan nur ein Baustein, um die Energieversorgung von Verkehr, Haushalten und Industrie sicher zu stellen. Doch werden die tatsächlich bereits vorhandenen Ressourcen (ca. 8500 Anlagen in Deutschland) und der Beitrag zur Wärme- und Stromerzeugung oft unterschätzt.

Ein gewichtiger Kritikpunkt ist gewiss, dass in vielen Fällen noch immer landwirtschaftlich nutzbare Flächen und sogar bislang ungenutzte Naturfläche für die Gewinnung von Biogas oder Bioethanol (Beimengung zu Kraftstoffen E5 und E10) eingesetzt werden. Brasilien ist dafür eines der bekanntesten Beispiele (Zuckerrohr).

Doch wenn entsprechende Regelungen wie in Deutschland/Europa die Nutzung von Energiepflanzen einschränken und vorrangig biologische Reststoffe verwendet werden, kann bei Einhaltung der Grenzwerte eine solche Anlage einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten. Bekannte große Hersteller von Bioethanol sind z.B. Neste (FIN), CropEnergies(D) oder Green Plains (USA).

© Gerald Friederici 04/2023