Quartierspeicher als Puffer zwischen dem Überland-Verteilnetz und Spitzenstrombedarf im städtischen Umfeld.
Noch immer geistert die Behauptung durch die Gesellschaft, eine 100%ige Umstellung des Verkehrs würde die Stromleitungsnetze überlasten. Dabei würde dieses momentan noch völlig unwahrscheinliche Szenario nur einen Strommehrbedarf von etwa 15-20% verursachen – eine Menge, die bereits mit dem heutigen Hochspannungs-Verteilnetz abgedeckt werden könnte.
Das Hauptproblem bei dieser an sich positiven Erkenntnis ist, dass neben dem Verkehr ja auch noch gleichzeitig der Wärmebedarf der Wohnungen und der Energiebedarf der (chemischen) Industrie gedeckt werden soll. Zusätzlich kommt es durch die Gleichzeitigkeitsbelastung zu Leistungsspitzen: Die Elektrofahrzeuge würden überwiegend zu ähnlichen Zeiten aufgeladen, die Heizungen zu ähnlichen Tageszeiten eingeschaltet und Industriebetriebe ohne kontinuierlichen Schichtbetrieb ebenfalls zu bestimmten Zeiten zeitgleich hochgefahren. Das Stromverteilnetz müsste also nicht nur für den durchschnittlichen Verbrauch, sondern für diese Spitzenlasten ausgebaut werden.
Die Überlandleitungen aufzurüsten ist zwar aufwändig aber durchführbar. Bedeutend schwerer wird das in den Ballungsgebieten und Innenstädten. Denn hier ist die Stromverteilung Teil des unterirdisch verlegten Versorgungsnetzes mit Wasser, Gas, Festnetz und Strom und nur sehr kostenintensiv zu erweitern.
Es ist absehbar, dass bei Neubauten auf den Dachflächen Solarmodule zwingend vorgeschrieben werden. So lassen sich Millionen Quadratmeter bislang ungenutzter Fläche zur Stromgewinnung nutzen. Vorteil: Diese Flächen sind leicht an ein bereits bestehendes Stromnetz anzubinden.
Sinn macht es, diese lokal gewonnene Energie auch lokal zu nutzen. Dies entlastet einerseits die Quartier- oder Stadtteil-übergreifende Stromverteilung und hilft beim Glätten der Bedarfsspitzen. Seit einigen Jahren gibt es die ersten Quartier-Energiespeicher, mit deren Hilfe untersucht wird, auf welche Weise diese Speicher einen netzdienlichen Beitrag leisten können. (Unternehmen wie Exytron aus Rostock bieten bereits fertig konzipierte Speicheranlagen ab einem kombinierten Wärme-/Strombedarf von etwa 0,5-0,6 GWh/a an. Anmerkung: 2022 in Konkurs gegangen)
Für das netzdienliche Ausbalancieren solcher Energiemengen sind reine Batteriespeicher zu teuer. Insbesondere für die mittelfristig zu speichernde Energiemenge wären Lithiumionen-Batterien eine schlechte Wahl. Darum sehen die Konzepte der unterschiedlichen Unternehmen auch Kombinationen von Verfahren vor, wie sie auch z.B. in Norwegen konzipiert worden sind: Power-to-Gas (PtG) unter Verwendung von durch Solar- oder Windstrom betriebene Elektrolyse und anschließende Methanol-Synthese aus Wasserstoff und CO2.
Dabei gibt es allerdings ein Problem: So schädlich CO2 für das Weltklima auch ist, so gering ist dennoch sein Anteil in der Atmosphäre. Nur etwa 0,04% der Luft besteht aus Kohenstoffdioxyd, weswegen ein erheblicher Energieaufwand notwendig ist, dieses CO2 aus der Luft zu extrahieren. Die meisten modernen Konzepte planen daher, dass bei der Verbrennung (Wärme) oder Nutzung in einer Methanol-Brennstoffzelle freiwerdende Kohlendioxyd einzufangen und wieder dem Prozess der Methanolsynthese zuzuführen. Alternativen dazu sind die Nutzung von CO2 aus Prozessen der Chemischen Industrie (z.B. Düngemittelherstellung) oder Kohlenstoffdioxyd aus Biogasanlagen. Der durchaus sinnvollen Nutzung von CO2 aus den Abgasen von Kohle- und Gaskraftwerken ist zumindest auf längere Sicht planbar ein Ende gesetzt.
Doch zurück zu den Quartierspeichern. Die derzeit einzige massenhaft verfügbare Technologie zur Stromgewinnung im städtischen Umfeld ist die Solarenergie. In Phasen geringer Sonneneinstrahlung oder nachts würden, bedingt durch den zukünftig immer weiter zunehmenden Strombedarf, die Versorgungsleitungen einer immer größeren Belastung ausgesetzt. Um insbesondere Spitzen z.B. im Zeitraum zwischen 17-19 Uhr, wenn die meisten Elektrofahrzeuge geladen würden und die Haushalte Strom für Essenzubereitung und Heizung verbrauchen, aber auch Spitzenbedarfe während der Dunkelphasen abzupuffern, setzt man schnell reagierende Lithium-Batterien ein. Diese können in Zeiten geringen Strombedarfs bei Bedarf zusätzlich aus dem Stromnetz geladen werden.
Größere Energiemengen, z.B. für die Dunkelflaute im Winter, können jedoch nur durch Verfahren mit einem Zwischenspeicher vorgehalten werden. Denn ein Speicher, der „nur“ im Sommer funktioniert, macht bei dem erhöhten (elektrischen) Wärmebedarf im Winter keinen Sinn und entlastet die Netzinfrastruktur in keinem Fall. Die Nutzung von aufkonzentriertem CO2 in einem Kreislauf und/oder die Nutzung von CO2 aus organischen Quellen (Vergärung, Pyrolyse) reduzieren dabei den Energiebedarf für die Methanolsynthese.
Neben der Systematik der regenerativen Stromgewinnung, der Einspeicherung der gewonnenen Energie durch Synthese von Ammoniak oder Methanol und der anschließenden, zeitversetzen Nutzung in (Brennstoffzellen-)BHKW`s sind auch andere Speichersysteme denkbar. Insbesondere für saisonale Speicher gibt es einige vielversprechende Ansätze, z.B. mittels Wärmespeichern in großen Wasserreservoirs. Die sind jedoch im städtischen Umfeld meist nicht verfügbar.
Quartierspeicher für größere Einheiten von Wohnungen, aber auch für Gewerbe- und Industriegebiete, haben zwei wesentliche Aufgaben: Die wichtigste ist gewiss, das „Zappeln“ der Stromgewinnung durch regenerative Energiequellen auszugleichen und so „nicht netzdienliche Stromspitzen“ zu vermeiden. Für größere Einheiten machen darüber hinaus Quartierspeicher mit Energiespeicher wie PtG oder PtL (Wasserstoff, Ammoniak, Methanol) Sinn, um Saisonale Schwankungen bei der Stromproduktion auszugleichen.
Klar ist, Quartierspeicher werden zukünftig maßgeblich dazu beitragen, dass die Energiewende, die „All Elektrical Society“ gelingen kann.
© Gerald Friederici 01/23