Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass unsere Armbanduhren und Smartphones immer die exakte Zeit anzeigen. Sie werden, weil in den meisten Fällen mit dem Internet verbunden, zentral synchronisiert. Basis dafür ist eines der weltweit verteilten Zeitnormal. Doch diese exakte Synchonisation ist nicht überall im Einsatz.
Abseits von Zeitsignalen, die über Mobilfunk oder Internet zur Verfügung gestellt werden, kann die Zeitinformation z.B. aus einem GPS-Signal extrahiert werden. Es geht jedoch noch einfach und wird auch heute noch millionenfach eingesetzt: Als Taktgeber nutzt man die Netzfrequenz.
Im europäischen Raum habt sich als Wechselfrequenz für die Stromversorgung 50 Hz etabliert. Die Spannung wechselt ihr Vorzeichen also alle 20 Millisekunden. Und das bisher mit sehr großer Präzision.
Warum gibt es diese hohe Genauigkeit bei der Netzfrequenz überhaupt?
Elektrischer Strom muss in dem Moment erzeugt werden, wenn er an anderer Stelle benötigt wird. Für ein Stromnetzwerk, wie es in Deutschland und Europa üblich ist, bedeutet das: Erzeugung und Verbrauch muß zu jedem Zeitpunkt gleich sein.
Über viele Jahrzehnte hinweg haben die Stromversorger gelernt, wie hoch der tägliche, wöchentliche und saisonale Stromverbrauch ist. Zusammen mit einer kontinuierlichen Überwachung des Netzes steuern sie entsprechend die Leistung ihrer großen Kraftwerke. Unabhängig davon, wie das Antriebsmedium (Atom, Kohle, Gas: Wasserdampf, Pumpspeicherkraftwerke: Wasser) aussieht, werden stets sehr große Massen in den Stromgeneratoren bewegt. Diese Schwungmasse (oft mehrere 100 Tonnen) besteht aus Generatorblechen und Kupfer und drehen sich stets so schnell, dass die abgegebene Spannung mit einer Frequenz von 50Hz synchron zum Netz wechselt. Durch die große Massenträgheit gleichen diese rotierenden Massen kleinere Lastschwankungen aus, ohne dass es sich auf die Netzfrequenz auswirkt. Selbst bei größeren kurzfristigen Lasten dauert es seine Zeit, bis die Massenträgheit überwunden ist. Meist ist bis dahin der zusätzliche Strombedarf durch Regelenergie ausgeglichen.
Würden Generatoren an verschiedenen Standorten nicht synchron laufen, würden sie selbst zu Verbrauchern. Es würden auch die Stromleitungen mit den Ausgleichströmen belastet werden, ohne Wirkleistung zu transportieren. Besonders anschaulich wird das, wenn man sich gedanklich vorstellt, ein Generator würde gerade eine positive Spannung erzeugen und ein anderer zeitgleich eine negative Spannung.
Um einwandfrei zu funktionieren, muß darum in ganz Europa das Netz zueinander synchron mit Strom aus Kraftwerken versorgt werden. Und damit das mit einem minimalen Verlust erfolgt, gibt es strenge Grenzen für die Einhaltung der Netzfrequenz von 50 Hz.
Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) versuchen in einem Bereich von 50,2 Hz und 49,8 Hz die Frequenz stabil zu halten. Sie können dazu Regelenergie aus z.B. Gasturbinen-Kraftwerken zu- oder abregeln. Bei größeren Abweichungen gibt es ein stufenweises Vorgehen bis zum Black Out (Trennung der Kraftwerke vom Netz) unterhalb von 47,5 Hz und vollständiger Trennung aller Solaranlagen vom Netz oberhalb 51,5 Hz.
Durch die Stabilitätsverordnung (SysStabV, Verordnung zur Gewährleistung der technischen Sicherheit und Systemstabilität des Elektrizitätsversorgungsnetzes) aus dem Jahre 2012 werden heute Biomasse-, Bioenergie-, KWK-, Windkraft- sowie Wasserkraftanlagen z.B. gezielt stufenweise abgeregelt, wenn die Netzfrequenz über die Grenze von 200 mHz ansteigt. Umgekehrt werden bei zu hohem Strombedarf gezielt große Lasten abgeschaltet, um die Stabilität der Netzfrequenz sicher zu stellen.
Was bewirkt die Schwankungen bei der Netzfrequenz?
Seit nun fast zwei Jahrzehnten speisen immer mehr Stromerzeugungsanlagen in das Übertragungsnetz ein, die keine solche Schwungmasse haben. Solarmodule haben keine bewegten Teile und keine netzstabilisierende Massenträgheit. Auch viele Windkraftanlagen erzeugen Strom asynchron zur Netzfrequenz. Hier übernimmt ein elektronischer Frequenzumrichter die Transformation der Spannung und Frequenz vom Windgenerator auf die Netzspannung und Netzfrequenz. Diese Stromquellen, die heute schon rund 50% des elektrischen Strombedarfs in Deutschland liefern, tragen also nicht „automatisch“ zur Frequenzstabilisierung bei. Deswegen können sie – abhängig von der Größe und der Aktualität ihres Ausbaus – stufenweise abgeregelt (in dem Fall ist die Frequenz über den zulässigen Wert von 50,2 Hz angestiegen) oder zugeschaltet (in dem Fall ist die Frequenz unter den zulässigen Wert von 49,8 Hz gefallen) werden. Durch eine intelligente (Smart Grid) Steuerung und zunehmende Digitalisierung des Lastmanagements kann der Nachteil der fehlenden Schwungmasse jedoch ausgeglichen werden. Zusätzliche Energiequellen und Stromsenken sind die zahlreichen Batteriespeicher, die netzstabilisierend genutzt werden können (die Regelzeit von elektrischen Batterien ist extrem kurz und gleicht den Mangel an Massenträgheit der fehlenden großen Generatoren aus).
Warum gehen manche Uhren falsch?
Doch nun zurück zu der Frage, was die Uhrzeit mit dem Stromnetz zu tun hat. Viele Uhren in Privathaushalten, in der Industrie und im öffentlichen Raum, die mit 230V betrieben werden, beziehen ihren Zeittakt aus dem Netz. Durch die steigende Anzahl an dezentral einspeisenden Energieerzeugern (ohne stabilisierende Schwungmasse) und Ereignissen wie der Abschaltungen großer Energieerzeuger (AKK`s in Frankreich 2022/23) kommt es immer wieder zu Netzfrequenzabweichungen. Im Normalfall gleichen sich positive und negative Frequenzabweichungen aus. Liegt die Frequenz jedoch längere Zeit unter oder über den 50Hz, kommt es zu Abweichungen: im Januar 2018 führte eine Abweichung von nur 0,004 Hz dazu, dass nach sechs Wochen die Uhren um sechs Minuten nachgingen. Zum Ausgleich der fehlenden Minuten wurde im Anschluß darauf geachtet, dass man überwiegend oberhalb 50Hz lag. Wer seine Uhr also um sechs Minuten vorstellte, mußte einige Wochen später seine Uhr erneut korrigieren.
Netzfrequenz und Uhrzeit sind also nach wie vor besonders in zahlreichen Bereichen der Wirtschaft noch eng miteinander verbunden. Die Übertragungsnetzbetreiber bemühen sich darum, Abweichungen gering zu halten, doch eine wirklich exakte Uhrzeit treffen sie dabei nur gelegentlich.