Schwefelhexafluorid (SF6) ist ein in der Bevölkerung weitgehend unbekanntes reaktionsträges Isoliergas, das wegen seiner hervorragenden dielektrischen Eigenschaften häufig in der Elektroindustrie verwendet wird. Es wird in Schaltanlagen, Transformatoren und anderen Hochspannungskomponenten eingesetzt, um elektrische Lichtbögen zu löschen und die Isolation zu gewährleisten.
Das 5-mal schwerere Gas gegenüber Luft wurde auch in Fenstergläsern als Schallschutz verwendet. Auch das Befüllen der Reifen bei Neuwagen mit SF6 war gängige Praxis.
Das Problem: SF6 ist ein extrem starkes Treibhausgas mit einem Treibhauspotenzial, das 23.500-mal höher ist als das von Kohlendioxid (CO2). Das bedeutet, dass ein Kilogramm SF6 in der Atmosphäre den gleichen Effekt hat wie 23.500 Kilogramm CO2. Und SF6 verbleibt über 3.200 Jahre in der Atmosphäre. Es ist damit noch erheblich schädlicher im Vergleich zu den bereits verbotenen Fluorkohlenwasserstoffen (FCKW). Die Verluste an Schwefelhexafluorid tragen zu etwa 0,5% zu dem innerdeutschen Treibhausgasausstoß bei – etwa so viel wie der innerdeutsche Flugverkehr.
Die Notwendigkeit einer SF6-Alternative
Aufgrund seiner schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt ist die Suche nach und der Einsatz von SF6-freien Alternativen zu einer dringenden Notwendigkeit geworden. Die Europäische Union hat in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Verwendung von SF6 zu reduzieren und schließlich zu verbieten.
Die Vorteile von SF6-freien Technologien
Der Verzicht auf Schwefelhexafluorid oder ähnliche klimawirksame FCKW in Schaltanlagen hat gleich mehrere Vorteile:
Als Alternativen zum Betrieb von Schaltanlagen bieten sich mehrere Technologien an:
Bei der Vakuum-Schalttechnik verwendet man ein Vakuum, um den Lichtbogen zu löschen. Sie ist besonders geeignet für Mittelspannungsanwendungen.
Gegenüber dem Betrieb mit dem Löschgas SF6 kann der sensorische Aufwand zur Überwachung SF6-freier Anlagen für den sicheren und zuverlässigen Betrieb erhöht sein. Da die Netzbetreiber sowieso auf eine stärkere digitale Überwachung der Betriebszustände (Netzlastüberwachung) an Knotenpunkten (Schaltfelder, Umspannwerke) angewiesen sind, ist die Integration solcher Überwachungssysteme zur frühzeitigen Fehlererkennung für SF6-freie Anlagen eine geringe Zusatzaufgabe.
SF6 und Windkraftanlagen
In der letzten Zeit wurde verstärkt ein Zusammenhang zwischen Windkrafträdern und dem klimaschädlichen SF6-Gas hergestellt. Tatsächlich handelt es sich um eine instrumentalisierte Aussage, mit der die Windenergie diskreditiert werden soll. Richtig ist, dass auch Windkraftparks Schaltanlagen enthalten können, bei denen im Mittelspannungsbereich SF6-Schalter eingesetzt werden können. Leider berücksichtig diese Aussage nicht, dass solche elektrischen Schaltanlagen generell bei Mittel- und Hochspannung benötigt werden und die Windkraftanlagen selbst nicht die Quelle für SF6-Emissionen sind.
Grobe Chronik der SF6 Regelungen in Deutschland
In Deutschland ist seit 1998 eine "Freiwillige Selbstverpflichtung zu SF6 in der elektrischen Energietechnik" in Kraft, die von führenden Unternehmen und Verbänden in der Energiebranche unterzeichnet und 2005 aktualisiert wurde.
Bereits 2002 hat sich das Umweltbundesamt für ein Verbot von SF6 in Mittelspannungsschaltanlagen ausgesprochen.
Seit 2006 ist die Verwendung von Schwefelhexafluorid-Gas in Schallschutzfenstern verboten. Wegen der langen Lebensdauer solcher Fenster wirkt dieses Verbot jedoch erst etwa 20 Jahre später dämpfend auf die Emission. Noch immer stellen die Emissionen aus Schallschutzfenstern die größte Quelle für freigesetztes SF6 dar.
Ab 2017 tritt die F-Gas Verordnung 517/2014 in Kraft und reduziert den Einsatz von HFCKW in Feuerlöschanlagen. Sie regelt auch die Intervalle der Dichtheitsprüfung (6/12 Monate)
Ab 1. 1. 2026 müssen neue Mittelspannungs-Schaltanlagen bis 24 kV mit Alternativgasen ausgestattet sein (F-Gas-Verordnung 573/2024). Diese Regelung gilt mit steigender Spannungsebene bis 1.1.2032 auch für Spannungen über 145 kV. Die Rückgewinnung des SF6-Gases ist für den Betreiber der Schaltanlage verpflichten.
Ab 2035 dürfen für Bestands-Schaltanlagen in Europa nur noch aufgearbeitetes oder recyceltes SF6 verwendet werden. Damit soll nochmals stärker ein Anreiz für die Rückgewinnung gesetzt werden und diffuse Verluste vermieden werden.
Wie auch bereits bei anderen Fluor-Verbindungen sind die Langzeitauswirkungen von Schwefelhexafluorid auf die Umwelt so gravierend, dass der weiterer Einsatz mindestens überdacht werden muß. Besser ist, gleich eine Alternative zu finden. Das gelang bei den FCKW, die in Kühlschränken eingesetzt wurden, das gelingt bei zahlreichen PFAS-Produkten (Ewigkeitschemikalien) bereits heute und das gelingt auch bei SF6-Schaltanlagen. Zahlreiche Hersteller solcher Hochspannungseinrichtungen entwickeln seit vielen Jahren Alternativen, die mittlerweile marktreif sind und eingesetzt werden. Bleibt zu hoffen, dass auch Länder ausserhalb der EU sich dieser Initiative anschließen und den Einsatz von Schwefelhexafluorid in den verschiedenen Anwendungen zukünftig verhindern. Wo der Einsatz (derzeit) nicht vermeidbar ist, muß die Dichtheit der Anlage gewährleistet sein und die umweltgerechte Entsorgung sichergestellt werden.
02/2025 © Gerald Friederici