Chernobyl und Fukushima waren wie auch die Fastkatastrophe von Harrisburg 1979 deutliche Warnung vor dem Risiko von Atomkraftwerken. Das diese Gefahr lange Zeit nicht ernst genommen wurde, lag auch an der vermuteten Umweltfreundlichkeit dieser Energiegewinnung. Kein CO2, keine Stickoxyde, kein Verbrauch von fossilen Rohstoffen. Doch nicht nur die katastrophalen Unfälle in Russland und Japan haben die Diskussion um die Atomkraft wieder angeheizt. Auch die immensen Kosten des Rückbaus und das ungelöste Problem der fehlenden Endlager. Mittlerweile haben sich weltweit alle Länder mit Atommeilern verpflichtet, strahlenden Atommüll aus Wiederaufbereitungsanlagen wieder ins eigene Land zurück zu nehmen.Man kann also keinen "Atommüll-Tourismus" betreiben mit dem Ziel, das Problem der Endlagerung von anderen lösen zu lassen
In der anheizten Diskussion um die Klimaerwärmung und die angestrebte Reduktion von CO2 in der Atmosphäre erscheint manchem die Atomenergie dennoch wie ein Ausweg aus der Zwickmühle zwischen Klimazielen und wirtschaftlicher Realisierbarkeit solcher Ziele. Denn auf irgendeine Weise müssen wir Energie produzieren, um Haushalte, Verkehr und Industrie damit zu versorgen. Atomkraft scheint hier die sauberste und technologisch ausgereifteste Alternative zu sein.
Untersuchungen zeigen jedoch, dass ein wirtschaftlicher Betrieb von AKW`s gar nicht möglich ist. Vom Bau über den Betrieb bis zum Rückbau einer Atomanlage und der Lagerung des strahlenden Atommülls fallen so viele Kosten an, dass der produzierte Strom an sich viel teurer verkauft werden müsste. Nur durch Umverteilungen zum Beispiel der Kosten für die (End-)Lagerung auf den Steuerzahler und zahlreiche Subventionen durch den Staat ist ein scheinbar wirtschaftlicher Betrieb möglich. Bei einer Vollkostenrechnung – also ohne Vergünstigungen, Steuerbefreiungen und Kostenabtretungen an den Staat – wären mittlerweile die klassische Energiequellen Brau- und Steinkohle sowie vor allem die Atomkraft (mit bis zu 34 Cent/kWh rechnet man) signifikant teuerer als die Gestehungskosten bei Windkraft und Solarenergie (Greenpeace Energy; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW). Die Vorteile der regenerativen Stromquellen beginnt schon damit, dass solche Anlagen innerhalb kurzer Zeit aufgestellt werden können - und auch vergleichsweise günstig wieder rückgebaut werden können. Wind- und Solarstromanlagen erreichen bereits nach wenigen Jahren eine Amortisation - selbst bei Vollkostenrechnung inklusive Umweltbelastung durch die Herstellung.
Zudem beträgt die Reichweite der Uran-235 Vorkommen bei heutigem Verbrauch etwa 150...200 Jahre. Würde man - zur Vermeidung der CO2 Emssionen - den Primärenergiebedarf (also nicht nur Elektrizität, sondern auch Wärme und Fortbewegungsenergie) statt mit fossilen Brennstoffen (ca. 80%) mit Atomkraft (z.Z. ca. 4%) decken wollen, bräuchte es etwa die 20-fache Anzahl an Atomkraftwerken. Leicht zu erkennen, dass dann die Vorkommen an spaltbarem Uran nach wenigen Jahrzehnten aufgebraucht wären.
Wer also glaubt, Atomkraft sei eine Möglichkeit, die Klimaziele von 2030 zu erreichen, täuscht sich. Genauso wie ein Elektroauto per se nicht generell umweltfreundlich ist, sondern nur lokal keine schädlichen Emissionen verursacht, so ist auch die Atomkraft eine Mogelpackung. Bei dem Elektrofahrzeug kommt es für eine Klimaverträglichkeit darauf an, dass die benötigte Energie zur Herstellung und dem Betrieb aus regenerativen Quellen kommt. Das betrifft durchaus auch die Herstellung der benötigten Metalle, bei denen z.B. regenerativ gewonnener Wasserstoff an Stelle von Erdgas zur Wärmeenergieerzeugung eingesetzt werden kann. Für Atomkraftwerke gilt neben dem Problem der zum Teil viele Hunderttausend Jahre in die Zukunft reichenden Gefahr der Verstrahlung der Umwelt der Umstand, dass nur durch erhebliche Subventionen Atomstrom überhaupt konkurrenzfähig war und sein wird. Der Aspekt der militärischen Bedeutung ist zudem ein trauriger Bestandteil der Gründe für den Weiterbetrieb zahlreicher Kernkraftwerke.
Auch Ansätze wie der Laufwellenreaktor oder der Thoriumsalz-Reaktor scheiterten bisher an der Machbarkeit und dem sicheren Betrieb. Ausserdem sind die Abfälle besonders beim Laufwellenreaktor extrem lang strahlend (Plutonium).
Statt weitere Gelder in solche Technologien zu stecken, sollte der Blick von Politik und Wirtschaft stärker auf neuen Ansätzen der (regenerativen) Energiegewinnung/-speicherung liegen. Doch staatliche Investitionen in weitgehend unbekannte Technologien mit dem durchaus auch möglichen Ergebnis der Nichteinsetzbarkeit sind unpopulär und der Freie Markt strebt vom Grundprinzip her immer in Richtung des maximalen ökonomischen Gewinns. Dabei bleibt die Ökologie allzu leicht auf der Strecke. Besonders in Staaten, in denen Politik in Legislaturen-Abschnitten gemessen wird.
Auf der anderen Seite darf bei den Erneuerbaren Energien nicht das selbe passieren wie bei der Atomkraft: Über Subventionen werden Fehlentwicklungen über Jahre und Jahrzehnte abgefangen und kaschiert: Jährlich zahlen die Strombezieher - vor allem die privaten Haushalte - bis zu 1,5 Milliarden EURO an Entschädigungen an die Windindustrie, weil die ihre Anlagen abregeln müssen. Denn zu viel Windstrom kann das Netz mangels des erforderlichen Netzausbaus nicht aufnehmen. Jede nicht produzierte MWh Windstrom wird den Betreibern vergütet, so dass sie nur wenig Anlass haben, an diesem Zustand etwas zu ändern. Und einmal etablierte Maßnahmen zu hinterfragen erfordert viel Energie. Leider keine, die von den Verantwortlichen in der Politik noch in der Gesellschaft gerne aufgebracht wird.
(Dezember 2019, © Gerald Friederici)