Zum Hauptinhalt springen

Deutsche Biogasanlagen vor dem Scheideweg: Warum die Wirtschaftlichkeit schwindet

Die Biogasanlagen in Deutschland, einst gefeierte Pioniere der Energiewende und wichtige Stützen der ländlichen Wertschöpfung, stehen zunehmend unter wirtschaftlichem Druck. Eine Vielzahl von Faktoren bedroht ihre Rentabilität, wobei das Auslaufen der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) eine besonders kritische Rolle spielt und erhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich bringt.

Neuordnung der Gasnetzzugangsverordnung 

Ein zentraler Pfeiler für die Wirtschaftlichkeit vieler Biogasanlagen war die Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV), insbesondere § 33, der den Netzanschluss von Biogasaufbereitungsanlagen (Biomethan) an das Gasversorgungsnetz regelte. Diese Verordnung, die Regelungen zur anteiligen Kostenübernahme des Netzanschlusses durch den Netzbetreiber vorsah und für den Anschlussnehmer Obergrenzen festlegte (bis zu 250.000 € für eine Anbindungsleitung von bis zu 1 km Länge), läuft mit der gesamten übrigen GasNZV zum 31. Dezember 2025 aus.

Die Konsequenz dieses Auslaufens ist gravierend: Ab dem 1. Januar 2026 fallen sämtliche Sonderregelungen des § 33 GasNZV ersatzlos weg. Der Netzanschluss würde dann nach den allgemeinen Vorgaben des § 17 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) erfolgen. Dies bedeutet, dass die bisherigen Kostendeckelungen für den Anschlussnehmer entfallen könnten, was zu deutlich höheren Netzanschlusskosten für neue oder zu erweiternde Anlagen führen würde. Auch für bestehende Anlagen, die nach einer Umstrukturierung oder einem Repowering einen neuen Anschluss benötigen, stellen sich diese Unsicherheiten als großes Problem dar.

Die Bundesnetzagentur hat zwar ein Festlegungsverfahren ("ZuBio") zur Überführung der Regelungen zum Zugang von Biogas für den Zeitraum ab 2026 initiiert, um Rechtsunsicherheiten zu minimieren. Doch die Diskussionen zeigen, dass die Herausforderungen groß sind und eine zufriedenstellende und für die Zukunft weiterer Investitionen wichtige Lösung für alle Beteiligten noch gefunden werden muss.

Weitere Belastungen für Biogasanlagen 

Neben dem Auslaufen der GasNZV sind Biogasanlagen mit einer Reihe weiterer wirtschaftlicher Herausforderungen konfrontiert. Viele ältere Biogasanlagen wurden im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefördert, meist über einen Zeitraum von 20 Jahren. Mit dem Ende dieser Förderperiode stehen die Betreiber vor der Frage, wie sie ihre Anlagen weiterhin wirtschaftlich betreiben können. Die Ausschreibungsrunden für Biomasse sind oft überzeichnet, und viele Anlagen erhalten keinen Zuschlag für eine Weiterförderung, was zur Stilllegung führen kann.

Hinzu kommen steigende Betriebs- und Substratkosten. Die Kosten für land- und forstwirtschaftliche Substrate, Energie, Baustoffe und Betriebsmittel sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Auch Reparatur- und Instandhaltungskosten verteuern sich, was die Margen der Anlagenbetreiber zusätzlich schmälert. Der Biogasmarkt ist stark von den Preisen für Strom und Wärme abhängig, und volatile Energiepreise erschweren die Planbarkeit und Rentabilität.

Zusätzlich belasten komplexere Genehmigungsverfahren und rechtliche Hürden die Betreiber. Sie und sich ändernde Regulierungen, beispielsweise im Bereich der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) oder bei den Anforderungen an den Anlagenbetrieb (z.B. Störfallverordnung), können Investitionen und den laufenden Betrieb erschweren. Der Wettbewerb und Marktunsicherheiten tun ihr Übriges: Der Biomethanabsatz wird durch unbeständige Preise und die noch nicht absehbare Marktentwicklung beeinflusst. Zudem können vermeintliche Betrugsfälle bei Importen von Biokraftstoffen den Markt zusätzlich unter Druck setzen. Auch sind weniger herausfordernde Regelungen im europäischen Ausland ein Wettbewerbsvorteil, der heimische Biogas-Unternehmen unter Druck setzt.

Die Bedeutung von Biogas für die Energiewende 

Trotz der aktuellen Herausforderungen ist Biogas ein für viele recht unbekannter Baustein für die Energiewende in Deutschland. Dabei bietet Biogas zahlreiche Vorteile: Im Gegensatz zu Wind- und Solarenergie ist Biogas speicherbar und kann bedarfsgerecht in Strom, Wärme oder als Kraftstoff genutzt werden. Dies trägt zur Stabilität des Stromnetzes bei und erhöht die Versorgungssicherheit. Biogasanlagen können kontinuierlich Energie liefern und tragen somit zur Grundlastversorgung bei, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind.

Ein weiterer Vorteil ist die sektorübergreifende Nutzung: Biomethan kann direkt ins Erdgasnetz eingespeist und in verschiedenen Sektoren (Strom, Wärme, Verkehr) genutzt werden. Biogasanlagen schaffen regionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum und nutzen regionale Substrate, wodurch lokale Wertschöpfungsketten gestärkt werden. Nicht zuletzt ermöglichen Biogasanlagen die Entsorgung von Reststoffen: Sie verwerten auch landwirtschaftliche Reststoffe wie Gülle und Mist und tragen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen bei.

Ausblick: Notwendige Anpassungen für eine nachhaltige Zukunft 

Um die Wirtschaftlichkeit und damit die Existenz der deutschen Biogasanlagen zu sichern, sind politische Weichenstellungen und Anpassungen notwendig. Dazu gehören klare und stabile Rahmenbedingungen für den Netzanschluss. Eine zeitnahe und rechtssichere Neuregelung des Gasnetzzugangs ist unerlässlich, um Planungssicherheit für Investitionen in neue oder umgerüstete Anlagen zu schaffen. Ein Abbau bürokratischer Hürden durch eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und eine Angleichung von Regulierungen (z.B. Störfallverordnung) kann die Belastung für Betreiber reduzieren.

Auch eine Anpassung der Ausschreibungsmengen und -bedingungen ist wichtig. Eine Erhöhung der Ausschreibungsvolumina für Biomasse und die Einführung von Zuschlägen für die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen können die Wirtschaftlichkeit verbessern und Anreize für eine nachhaltige Substratnutzung setzen. Ebenso sollte die Stärkung der Flexibilitätszuschläge vorangetrieben werden. Die Förderung der bedarfsorientierten Stromerzeugung aus Biogas durch höhere Flexibilitätszuschläge ist wichtig, um die Systemintegration von Biogasanlagen zu verbessern. Nicht zuletzt ist die Förderung der Wärmenutzung essentiell: Die Integration von Biogasanlagen in kommunale Wärmenetze bietet eine wichtige Perspektive für die wirtschaftliche Nutzung der anfallenden Wärme.

Die deutsche Biogasbranche steht vor einer kritischen Phase. Es ist entscheidend, dass die Politik die Bedeutung von Biogas für die Energiewende erkennt und die notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Anlagen zukunftsfähig zu machen. Denn Bioenergie ist grundlastfähig und kann flexibel auf den Strombedarf im Netz reagieren, während ihre Speicherbarkeit zu dem Mix aus Eneregiespeichern beiträgt, der für die post-fossile Zeit notwendig ist.

 

Ergänzung: Große, netzdienliche Batteriespeicher-Anlagen:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juli 2025 klargestellt, dass Netzbetreiber berechtigt sind, Baukostenzuschüsse für netzgekoppelte Batteriespeicher (BKZ) zu erheben (analog dem Anschluß ans Gasnetz bei Biogasanlagen). Das Urteil stärkt die Position der Netzbetreiber und bestätigt die Anwendung des Leistungspreismodells der Bundesnetzagentur zur Berechnung der BKZ. Der BGH begründete dies unter anderem damit, dass Batteriespeicher bereits durch Netzentgeltbefreiungen und steuerliche Privilegien hinreichend gefördert würden und eine vollständige Befreiung von BKZ die Kostenlast auf alle Letztverbraucher verlagern würde. Diese hohen einmaligen Anschlusskosten können die Wirtschaftlichkeit von Batteriespeicherprojekten beeinträchtigen und Investitionen verzögern oder sogar verhindern.

 August 2025