Hochstromübertragung der Zukunft: Das Projekt „HighAmp“
Die Energiewende stellt uns vor immense Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Stromtransports. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien, deren Erzeugung oft weit entfernt von den Verbrauchszentren liegt, steigt der Bedarf an effizienten und verlustarmen Übertragungslösungen stetig. Doch auch die zunehmende Elektrifizierung in Städten belastet das dortige Verteilnetz erheblich. Hier setzt das zukunftsweisende Projekt „HighAmp“ an, das darauf abzielt, innovative, ultrakompakte Supraleiter zu entwickeln, die bestehende Infrastruktur nutzen.
Effizienz und Kapazität für die Energiewende
Die Energiewende und die wachsende Integration erneuerbarer Energien stellen unser Stromnetz vor immense Herausforderungen. Ein zentrales Problem ist der Netzausbau, der oft mit langwierigen Genehmigungsverfahren, aufwendigen Erdarbeiten und erheblichen Beeinträchtigungen für Anwohner und Umwelt verbunden ist. Hier bieten Supraleiter-Technologien eine innovative und vielversprechende Lösung.
Das Projekt „HighAmp“ hat das Ziel, durch einen innovativen Ansatz die zuvor erwähnten Gründe für den langsamen Netzausbau zu vermeiden. Dazu soll eine verlustarme, leistungsstarke und platzsparende Alternative geschaffen werden, die insbesondere innerstädtisch einen Netzausbau ohne Baustellen im herkömmlichen Sinne ermöglichen, da sie die bestehende Infrastruktur optimal nutzen kann. Anstatt neue Trassen zu schaffen, können solche kompakten Supraleiterkabel in vorhandene Leerrohre oder Kabelkanäle eingezogen werden.
Motivation und Bedarf: Das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen und die damit verbundene beschleunigte Energiewende, stellt das Stromnetz in Europa vor große Herausforderungen. In urbanen Gebieten müssen Tausende Kilometer von Gasdruck- und Ölkabeln (oft auf der 110-kV-Ebene mit Durchmessern von DN125 – DN200) ersetzt werden. Diese Kabel erreichen das Ende ihrer Lebensdauer und sind nicht für die steigenden Anforderungen der Energiewende ausgelegt. Hochtemperatur-Supraleiter (HTS) bieten eine vielversprechende Materialoption, um bestehende Gasdruckkabel durch leistungsstärkere und effizientere Lösungen zu ersetzen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) gefördert.
Ziele von „HighAmp“: Eine neue Dimension der Energieübertragung
Die übergeordneten Ziele des Projekts „HighAmp“ sind ambitioniert und vielschichtig. An erster Stelle steht die drastische Reduzierung der Übertragungsverluste. Durch den Einsatz eines 3-phasigen Supraleiterkabels für die Verteilnetzebene (20 kV) von Supraleitern soll der Energieverlust bei der Stromübertragung (Effizienzverluste entstehen hauptsächlich durch die Kühlung) auf ein Minimum reduziert werden, was nicht nur ökonomische Vorteile mit sich bringt, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Jeder eingesparte Verlust bedeutet weniger primäre Energieerzeugung und somit eine geringere CO2-Emission.
Ein spezifisches Ziel ist die Steigerung der Übertragungskapazität bei gleichzeitig geringerem Platzbedarf. Supraleitende Kabel können bei gleicher Querschnittsfläche bis zum Fünffachen an Strom im Vergleich zu konventionellen Kabeln transportieren. Die hohe Leistungsdichte ermöglicht es, bestehende Leerrohre oder vergleichsweise schmale Gräben für die Verlegung zu nutzen. Das minimiert aufwendige und teure Tiefbauarbeiten, die in Städten bis zu 70-80% der Gesamtkosten eines Kabelwegs ausmachen können. Damit sind leistungsfähige Mittelspannungs-Kabel zur Versorgung von Stadtzentren möglich, die den steigenden Bedarf an elektrischen Strom z.B. für Wärmepumpen, Klimaanlagen und Ladestationen decken können. Ein „Netzausbau ohne Baustelle“ reduziert Verlegekosten und vermeidet Beeinträchtigungen des Stadtlebens durch Baustellen erheblich und stellt dennoch eine gute Netzstabilität durch ausreichende Übertragungskapazität sicher.
Ein untergeordnetes, aber dennoch wichtiges Ziel ist es, durch die Mittel im Rahmen des Forschungsprojektes einen Beitrag dafür zu leisten, dass Hersteller von Supraleitern durch die Economy of Scale in die Lage versetzt werden, günstiger und in größeren Mengen zu fertigen.
Darüber hinaus trägt „HighAmp“ als Teil der Forschungsaktivitäten im Bereich HTS (Hochtemperatur-Supraleiter) ganz allgemein dazu bei, die Netzstabilität zu erhöhen und die Integration volatiler erneuerbarer Energien zu erleichtern. Durch die verlustarme und leistungsstarke Übertragung können Stromspitzen und -täler der stark dezentralen Stromerzeugung besser ausgeglichen werden, was die Resilienz des gesamten Stromnetzes verbessert. Die Fähigkeit, große Mengen an Strom effizient über weite Strecken zu transportieren, ist zudem entscheidend für ein zukünftiges europäisches Verbundnetz, das auf HGÜ (Hochspannungsgleichstrom-Übertragung) Kabeln mit Hochtemperatur-Supraleiter für die Energieübertragung basieren könnte. Letztlich zielt das Projekt darauf ab, Deutschland und Europa als Vorreiter in der Entwicklung und Anwendung von Supraleitertechnologien für die Energiewirtschaft zu etablieren. Erste Versuche mit solchen Hochleistung-Supraleitungen sind AmpaCity in Essen (2014-2021) und SuperLink in München (ab ca. 2026).
Technische Umsetzung: Supraleiter im Kryostaten
Die technische Umsetzung des Projekts „HighAmp“ ist komplex und erfordert die Beherrschung verschiedener Technologien. Im Kern des Systems stehen die Supraleiter selbst. Solche Stromleiter verlieren unterhalb einer kritischen Temperatur ihren elektrischen Widerstand vollständig. Für das Projekt „HighAmp“ kommen „handelsübliche“ Hochtemperatur-Supraleiter (HTS) zum Einsatz, die im Vergleich zu Supraleitern, die mit flüssigem Wasserstoff (-253°C) oder Helium (-269°C) gekühlt werden müssen, bei vergleichsweise höheren Temperaturen supraleitend werden. Dies vereinfacht die Kühlung erheblich.
Die Supraleiter werden im Projekt „HighAmp“ in einem speziell entwickelten, doppelwandigen Kabel untergebracht, das einen hochisolierten Behälter darstellen. Im inneren Rohr zirkuliert auf -200°C gekühlter flüssiger Stickstoff, ein kostengünstiges und leicht verfügbares Kühlmittel, das vom Projektteilnehmer Messer zur Verfügung gestellt wird. Die Reduktion des Wärmeeintrags bei einer kompakten Bauweise dieser tiefkühlen Kabelkonstruktion ist eines der Entwicklungsziele. Dazu wurden auch bereits neue Abstandshalter für die dreiphasige Leiteranordnung entwickelt (notwendige Spannungsfestigkeit versus Baugröße).
Die elektrische Anbindung der supraleitenden Kabel an das bestehende Stromnetz erfolgt über spezielle Stromzuführungen, die den Temperaturübergang von Raumtemperatur (Hot End) auf Kryotemperatur überbrücken und dabei möglichst geringe Verluste verursachen sollen. Der Projektteilnehmer Vision Electric aus Kaiserslautern bringt hier seine Erfahrungen ein.
Die Integration solcher Supraleiter-Stromübertragungen in das bestehende Netz erfordert zudem die Entwicklung angepasster Schutz- und Steuerungssysteme, die den Besonderheiten der Supraleitertechnologie (z.B. plötzlicher Übergang über die Sprungtemperatur) Rechnung tragen. Die technische Umsetzung umfasst die Entwicklung und den Bau einer 30 Meter langen Teststrecken, auf der die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Supraleiterkabels unter realen Bedingungen erprobt werden kann. Vor einer breiteren Anwendung im Netz beinhaltet die Untersuchungen vor allem auch Tests in Bezug auf die Langzeitstabilität und das Betriebsverhaltens unter verschiedenen Lastbedingungen und Umwelteinflüssen.
Neben dem Karlsruher Institute of Technology (KIT) sind auch die TH Köln, Vision Electric Super Conductors (Kaiserslautern), Messer (Liquid Nitrogen), BayKa (Bayerische Kabelwerke, Roth) und die RNG (Rheinische NETZGeselschaft) an dem Projekt beteiligt.
Link zu dem Projekt: https://www.energieforschung.de/interviews/de/netzausbau-ohne-baustellen-supraleiter-nutzen-bestehende-infrastruktur
August 2025