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CCS - Technologie mit fragwürdigem Nutzen

Die Diskussion und technologische Entwicklung der CCS (Carbon Capture and Storage) und CCU (Carbon Capture and Utilization) Technologie ist sowohl in Europa als auch weltweit in den entwickelten Ländern in vollem Gange, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Akzeptanzgraden.

Stand der Diskussion und technologischen Entwicklung in Europa 

1. Politische und rechtliche Rahmenbedingungen:

  • Deutschland: Deutschland hat sich lange Zeit stark gegen CCS/CCU ausgesprochen und das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpTG) den Einsatz auf eng begrenzte Forschungszwecke beschränkt. Ein Transport von CO2 über Landesgrenzen ist nicht gestattet. Allerdings wird diese Haltung aktuell überdacht. Es gibt Diskussionen über die Aufhebung von CCS-Einschränkungen und eine breitere Ermöglichung von CCS in Deutschland, ausgenommen der Transport von CO2 aus Kohlekraftwerken. Die staatliche Förderung soll sich auf schwer oder nicht vermeidbare Emissionen konzentrieren. Hierbei sind Zement- und Kalkwerke sowie Müllverbrennungsanlagen explizit als potenzielle Anwendungsbereiche genannt. Deutschland hat in den letzten 15 Jahren wertvolle Zeit verloren und wird nun voraussichtlich auf die Hilfe von Nachbarländern angewiesen sein, um wieder Anschluss zu finden.
  • EU-Ebene: Die EU hat die Bedeutung von CCS/CCU als Baustein zur Erreichung der Klimaziele erkannt. Die EU-Richtlinie 2009/31/EG zur geologischen Speicherung von CO2 wurde in nationales Recht überführt. Es wird ein EU-Ziel von 250 Mio. Tonnen pro Jahr für CO2-Speicherung via CCS für 2040 ins Auge gefasst. Investitionen in die Infrastruktur für CO2-Transport und -Speicherung sollen ein umfassendes Netzwerk (Pipelines parallel zu Gas und Wasserstoff) in der gesamten EU ermöglichen. Die EU hat ihren Forschungsetat für diesen Bereich aufgestockt und Förderzusagen für CCS-Projekte gemacht (bis 2030 bis zu 38 Mrd. Euro aus dem Innovationsfond, der aus dem Emissionshandel gespeist wird, Forschungsprogramm "Horizon Europa") .
  • Andere EU-Länder: In Ländern wie Norwegen (als Vorreiter), Dänemark und Island wird die CO2-Speicherung bereits aktiv betrieben oder stark vorangetrieben. Norwegen speichert seit 1996 CO2 unter dem Meeresboden (z.B. im Sleipner Gasfeld) und gilt als Vorreiter. Dänemark hat 2023 begonnen, CO2 aus Belgien in einem früheren Ölfeld in der Nordsee zu speichern und möchte seine Speicher für andere Länder bereitstellen.

2. Technologische Entwicklung und Projekte:

  • Herausforderungen: Die Abscheidung von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) ist nach wie vor sehr energieintensiv und ineffizient aufgrund der geringen Konzentration. Bei industriellen Abgasströmen mit höherer CO2-Konzentration (z.B. Zementwerke) ist die Abscheidung effizienter.
  • Kosten: Die Kosten für die Abscheidung und Speicherung von CO2 variieren stark. Schätzungen für die Einspeicherung in der EU lagen früher bei 1 bis 20 Euro pro Tonne CO2. Aktuellere Schätzungen für die gesamten Kosten (Abscheidung, Transport, Lagerung) in Europa reichen von 60 € pro Tonne CO2 (bei guter Erschließung) bis über 150 € pro Tonne. Für Gaskraftwerke liegen die CCS-Kosten zwischen 80 und 170 €/t.
  • CO2-Zertifikate: Der Preis für CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) liegt derzeit bei rund 73 EUR pro Tonne (Stand Mai 2025). Dies ist oft noch deutlich niedriger als die Vollkosten für die CO2-Abscheidung und -Speicherung. Prognosen gehen jedoch von einem Anstieg auf 100 bis 250 Euro pro Tonne bis 2030 aus, was die Wirtschaftlichkeit von CCS verbessern würde. Die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten an die Industrie soll 2034 auslaufen, was ebenfalls den Anreiz für CCS erhöht.
  • Fokus auf schwer vermeidbare Emissionen: Es gibt einen klaren Trend, CCS/CCU insbesondere für Sektoren zu nutzen, in denen CO2-Emissionen prozessbedingt und schwer vermeidbar sind. Dazu gehören insbesondere die Zement- und Kalkindustrie, aber auch die Abfallwirtschaft. Zementindustrie: Die Zementindustrie sieht CCS als Schlüsseltechnologie zur Dekarbonisierung, da bei der Klinkerherstellung prozessbedingt große Mengen CO2 freigesetzt werden. Projekte wie in Brevik (Norwegen) und Slite (Schweden) zeigen das Potenzial auf, ganze Zementwerke bis 2030 vollständig zu dekarbonisieren. Auch die Nutzung von abgeschiedenem CO2 als Rohstoff (CCU) für die Lebensmittel- oder Chemieindustrie (z.B. Carbonfaserherstellung, Kohlenstoff angereicherter Beton) wird erforscht.
  • Akzeptanz: Die öffentliche Akzeptanz von CCS in Europa ist gemischt, mit teilweise starken Widerständen von Umweltverbänden, die CCS als Scheinlösung kritisieren, die den Ausstieg aus fossilen Energieträgern verzögert und Investitionen von erneuerbaren Energien abzieht. Eine Umfrage in Nordrhein-Westfalen zeigte jedoch, dass nur etwa 12 % der Befragten aus der Industrie die Nutzung von CCS negativ sehen.

Stand der Diskussion und technologischen Entwicklung weltweit in den entwickelten Ländern 

1. Verbreitung und Projekte:

  • Weltweit gab es 2023 laut Global CCS Institute 41 in Betrieb befindliche CCS-Projekte (mit Kapazitäten von 49 Mio. t CO2), 26 im Bau und 325 in fortgeschrittener und früher Entwicklung. Bei Umsetzung würde die Gesamtkapazität aus diesen Projekten 361 Mio. t CO2 pro Jahr betragen.
  • Die USA führen die Liste mit den meisten CCS-Anlagen an (13 im Jahr 2022), die hauptsächlich von großen Ölkonzernen betrieben werden, oft zur Erhöhung der Förderraten fossiler Energieträger (enhanced oil recovery; Injektion von CO2 zum Herauspressen der nicht konventionell förderbaren Mengen Erdöl in Lagerstätten).
  • Kanada, Brasilien, China und Saudi-Arabien setzen ebenfalls geologische CO2-Speicherung ein.
  • Asiatisch-pazifischer Raum: Thailand kündigte sein erstes CCS-Projekt an, China nahm das erste Millionen-Tonnen-Projekt in Betrieb, und Australien macht Fortschritte bei neuen Projekten.
  • Indien: Trotz der Dominanz von Kohle wird auch CCU-Technik eingesetzt, um CO2 profitabel umzuwandeln.

2. Technologische Fortschritte und Fokus:

  • Enhanced Oil Recovery (EOR): In vielen Ländern, insbesondere den USA, wird CCS in Verbindung mit EOR eingesetzt. Dabei wird das abgeschiedene CO2 in Ölfelder gepumpt, um die Ölförderung zu erhöhen. Dies ist jedoch umstritten, da es die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe begünstigt.
  • Direct Air Capture (DAC): Die Forschung an DAC-Technologien schreitet voran, obwohl die Kosten noch hoch sind. Unternehmen wie Climeworks (Schweiz) sind hier führend. Es wird geschätzt, dass DAC bis 2035 rentabel sein könnte, wenn die Kosten weiter sinken und der CO2-Preis steigt. Fraglich bleibt, ob die notwendige Energie zur Gewinnung von CO2 aus der Luft nicht anderswo sinnhafter eingesetzt werden kann.
  • Technologische Vielfalt: Es werden verschiedene Abscheideverfahren (z.B. Aminwäsche), Transportmethoden (Pipelines, Schiffe) und Speicheroptionen (Salzformationen, ausgebeutete Gas-/Ölfelder, Basaltgestein) erforscht und entwickelt. Von einer "industriellen" Umsetzung ist man in den allermeisten Fällen jedoch noch sehr weit entfernt!
  • Kostenreduktion: Der Fokus liegt auf der Skalierung der Projekte und der Schaffung von "CCS-Clustern", um Kosten durch Skaleneffekte zu minimieren.

CO2-Emissionen und der Vergleich mit CCS-Kapazitäten - wie relevant ist CCS/CCU 

Um die Relevanz der CCS-Technologie einordnen zu können, ist es wichtig, die Menge der weltweit emittierten CO2-Menge zu betrachten.

  • Weltweit wurden 2023 rund 37,8 bis 39 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre freigesetzt, hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Die größten Verursacher sind dabei die Energiewirtschaft (Elektrizität und Wärme), gefolgt von der Industrie (Chemie, Zement...) und dem Verkehrssektor (Schifffahrt, Luftverkehr, Schwerlast, PKW).
  • Die Kapazität aller im Jahr 2023 aktiven kommerziellen CCS-Projekte betrug ca. 49 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Im Vergleich zu den weltweiten Emissionen entspricht dies etwa 0,12 bis 0,13 Prozent der jährlich ausgestoßenen CO2-Menge. Noch deutlicher wird die Bedeutung der CCS Projekte, schaut man sich die Emissionen des größten Braunkohlekraftwerks Neurath in Deutschland an: 22 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr! Diese Beispiele verdeutlichen, dass CCS derzeit nur einen sehr kleinen Beitrag zur Reduktion der globalen CO2-Emissionen leistet. Angesichts dieser Verhältnisse (zurzeit) erscheint das Abschalten einiger Kohlekraftwerke weltweit im Vergleich zu den noch erheblichen Aufwendungen zur Entwicklung von CCS erheblich kurzfristiger wirkend und kostengünstiger zu sein.
  • Die geringe Effizienz der CO2 Abscheidung im Vergleich zur dafür einzusetzenden Energie, die hohen Anfangsinvestitionen bis hin zum Ausbau eines Transportsystems für große Mengen CO2 stellen nicht nur Geschäftsmodelle in diesem Zusammenhang in Frage, sondern lassen auch die Kritik nicht leise werden, dass Entwicklungsgelder, die in diese Technologie fließen, nur dazu führen, dass der Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung mit der Alibibehauptung, der CO2 Eintrag in die Atmospäre könnte so signifikant reduziert werden, hinaus gezögert wird.

Die CCS/CCU-Technologie wird zunehmend als notwendiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel anerkannt, insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen in der Industrie. Während in einigen Ländern, insbesondere den USA und Norwegen, bereits umfangreiche Projekte in Betrieb sind, holt Europa, und hier insbesondere Deutschland, in der Entwicklung und Implementierung auf. Die hohen Kosten und die öffentliche Akzeptanz sind weiterhin zentrale Herausforderungen, aber steigende CO2-Preise und die Notwendigkeit, schwer dekarbonisierbare Sektoren zu transformieren, treiben die Entwicklung voran. Trotz des vielversprechenden Anstiegs der Projektzahlen ist die derzeitige Abscheidungskapazität von CCS-Anlagen im globalen Maßstab mit etwa 0,12 bis 0,13 Prozent der jährlichen weltweiten CO2-Emissionen noch gering. CCS bleibt weiterhin in vielen Fällen ein eher zweifelhafter Lösungsansatz und Investitionen in andere Lösungen erscheinen vor diesem Hintergrund sinnvoller.

 Mai 2025