12.07.2010 Stipvisite beim schrumpfenden Austerdal
Es ist wie gewohnt schon: Am Morgen regnet es ein wenig und graue Wolken begrüßen uns. Der Sommer hat Norwegen vergessen. Zumindest seit zwei Wochen.
Nach dem Frühstück fahren wir die 1000m bis zur Brück Richtung Tungestölen. Hier gibt es einen kleinen, noch weitgehend unorganisierten Campingplatz und einige Hütten werden vermietet.
Tungestölen liegt am Zusammenfluß zweier großer, ehemaliger Gletschertäler. Heute transportieren bedeutend kleinere Flüsse das Schmelzwasser zum Sognefjord.
Einen davon überquert man unmittelbar nach dem Parkplatz. Es geht am Ufer entlang nach rechts und dann der deutlich sichtbaren Pfadspur hinauf.
Eine Engstelle des Gletscherflusses muß oberhalb umgangen werden. Hier ist es an vielen Stellen moorig.
Doch dann erreicht man den Punkt, an dem man das Ziel schon sehen kann. Unter einem breitet sich eine weite Ebene aus. Ein weites Schwemmland mit einigen alten Moränenrändern.
Zum Talschluß hin erkennt man einen von links herablaufenden Felskamm. Dies ist das Ziel der Wanderung.
Doch bis dahin sind es etwa 5km – was man in der klaren Luft und den gewaltigen Dimensionen der umgebenden Berge nicht recht glauben mag.
Doch ist erst einmal die brettflache Ebene erreicht und hat man das Ziel angepeilt, dann merkt man bald: Es will nicht näher kommen.
Bald tritt man in einen lockeren Birkenwald ein, der mühsam die geröllige Kiesebene besiedelt.
Oft liegt bis spät ins Jahr hinein hier Schnee und verkürzt die Vegetationsperiode. Dennoch konnten wir mehrere Hände voll Heidelbeeren sammeln.
Der Weg ist mal erdig, mal voller runder Felsbrocken, mal mit feinem Kies ausgekleidet....und öfter mal müssen Bäche überquert werden. Zwei leiterartige Brücken erleichtern dabei je nach Wasserstand das Weiterkommen.
Nachdem schon mehrmals das Ziel greifbar nah war, erreicht man schließlich tatsächlich den Felskamm. Auf einer Rippe steigt man die ca. 70 Höhenmeter empor, die einen zum Ausblick bringen.
Verglichen mit dem Gletscher vor 20 Jahren ist der Breen deutlich geschrumpft. Man muß jetzt weiter gehen, bis man den ganzen Gletscher und die beiden Eisströme „Thor und Odin“ sehen kann.
Diese beiden Eisströme sind die eigentliche Sehenswürdigkeit. Wie gischtendes Wasser stürzen die beiden Eisbrüche vom Jostedalbreen-Plateau herab ins Tal. Das Eis bricht dabei in Tausende vorn Spalten auf und es leuchtet allenthalben eisblau.
Wir ziehen uns unsere Leichtsteigeisen an und besteigen den Gletscher. Er ist hier im unteren, etwa 1,5km langen Teil völlig spaltenfrei. Wegen der geringen Höhe von nur etwa 300-500m über dem Meer ist der Gletscher früh schneefrei und dann ist es ein wahres Vergnügen, in Richtung der Eisfälle zu wandern.
Leider hat uns pünktlich zum Aufstieg auf den Breen die Sonne verlassen und graues Einerlei schwebt über uns. Dadurch kommen die Farben natürlich nicht so schön heraus.
Überall rinnt Schmelzwasser auf dem Eis entlang und verschwindet in hell- und dunkelblauen Löchern und Grotten. Es gluckst, plätschert und rauscht. Vor allem zum Rand hin ist der Gletscher dann doch zerklüftet.
Oben auf der Hauptfläche ist dagegen fast kein Sickerloch vorhanden. Einige größere Felsen stehen auf Eisfüßen, da sie das Eis in ihrem Schatten vor dem Abschmelzen schützen.
Wir gehen bis an den Fuß der beiden Eisfälle, kehren dann aber ob des eisigen Windes um, der hier von der Höhe herabfällt.
Auf dem Rückweg öffnen sich Wolkenlöcher und mehr und mehr blauer Himmel kommt zum Vorschein. Schon wieder längst unten in der weiten Ebene strahlt die Sonne herab auf die nun freien Berge um uns herum. Dieses Licht hätten wir gerne auf dem Gletscher gehabt!
Nach fünf Wanderstunden sind wir wieder zurück – zum Aussichtpunkt ist man mindestens eine Stunde weniger unterwegs. Gutes Schuhwerk schützt die Knöchel und lässt moorige Stellen weniger unzugänglich erscheinen. Ansonsten: Eine wunderbar einsame Wanderung. Selbst an belebten Tagen dürfte das Aufkommen an Wanderern wegen der Länge überschaubar bleiben. Und ein noch immer toller Gletscher mit seinen deutlich sichtbaren Jahresringen.
An unserem gestrigen Nachtplatz duschen wir bei Sonnenschein aber kühlen Wind im Freien. Die Sonne verschwindet dann aber wieder hinter der schon bekannten Schleierwolkendecke und Abendrot bleibt uns verschlossen.