Der Morgen beginnt mit Regen bei uns in den Bergen. Wir fahren hinab Richtung Funchal und dann weiter Richtung Monte. Die Straßen kenne ich mittlerweile und auch den Gleichmut, den viele Fußgänger gegenüber Autos an den Tag legen. Es ist eine elende Kurbelei, bis wir endlich Richtung Ribeiro Frio den Ort Monte hinter uns lassen. Erst geht es viele Kilometer steil bergauf, hinein in die schönen Bergwälder bis zum Pass Richtung Pico do Arieiro. Dann folgen viele Kilometer sehr steile Abfahrt. Bei Riberio Frio herrliche Rastplätze direkt an der Straße und natürlich die Levada Richtung Portella-Pass.
Nach ewig langer Abfahrt aus den Bergen mit Blick auf die wolkenverhangenen Bergriesen von Madeiras Osten gelangen wir auf den Rapido von Machico aus. Hätten wir das gewusst, wir hätten uns die Kurbelei über den Berg sparen können. An der Abfahrt Santana biegen wir unmittelbar darauf Richtung Parque Queimadas (889m) ab. Es ist eine lange, einsame Straße durch einen verwunschenen Wald, die uns weit in den Urwald von Madeira entführt. Wir haben leider schon lange den sonnigen Küstenstreifen verlassen und tauchen ein in Wolken. Als wir am Parkplatz an der Levada do Caldeirao do Verde ankommen, schüttet es. Zum Glück ist der Schauer aber bald vorbei. Dennoch ist es mit knapp unter 10°C unangenehm kalt. Der Anfang ist gleich richtig schön. Zwei im Wald liegende, schilfgedeckte Häuser zeigen den typischen Baustil in Santana (na ja, wenn man durch Santana fährt, muß man schon aufmerksam suchen).
Durch den anhaltenden Regen der letzten Tage ist der Weg entlang der Levada ganz aufgeweicht. Eigentlich soll der Mai der trockenste Monat sein – dieses Jahr traf das nicht zu! Der Weg ist zunächst recht unspektakulär und für Levadaverwöhnte eben „normal“. Aber nach etwa 1,5 km und einer Linksbiegung verläuft der Weg in der senkechten Wand und ist als kleiner Balkon aus dem Fels gehauen. Kaum zu glauben, wie viele große Heidepflanzen (fast schon Bäume) sich in der Wand halten können. Aber ein Blick in die Runde beweist: An all den vielen sehr schrägen oder senkrechten Wänden des Großen Tals sitzt dichter Bewuchs. Dadurch erschrickt einen die teilweise fehlende Sicherung bei den senkrechten Stellen nicht so sehr.
Einem tief eingeschnittenen Tal folgend erreichen wir nach etwa 30 min eine erste Levadabrücke. Schön zu sehen der weitere Verlauf in der gegenüberliegenden Wand. Bald sind wir dort und gehen oft unter der überhängenden Vegetation entlang, die an diesem feuchten Tag ständig Wassertropfen auf die Wanderer fallen lässt. Unglaublich, wie viel Grün hier wächst – wie das wohl später im Jahr aussieht?
An einer kniffligen Stelle wird die Levada umgangen. Der Schlenker nach unten ist nicht weit und es lohnt sich nicht, wagemutig zu sein. Bald erreichen wir eine zweite Levadabrücke. Das Wasser des dortigen Wasserfalls wird der Levada zugeführt. Nach einer weiteren Viertel Stunde erreichen wir einen kurzen, S-förmigen Tunnel. Bald darauf kommen wir an eine Wegkreuzung. Wir folgen gerade aus in den längsten Tunnel der Wanderung hinein. Bald danach folgen ein dritter und ein vierter Tunnel. Dazwischen immer wieder schöne Wegstrecken auf ausgesetzten Felsbändern. Immer auch wieder mal kleine Wasserfälle oder tropfende Strecken – zumindest in diesem verregneten Mai. Kaum zu glauben, welch ein Aufwand getrieben worden ist, um das Wasser aus dieser schroffen Bergschlucht ins Tal zu leiten. Bald nach dem vierten Tunnel erreichen wir einen etwas unscheinbaren Abzweig. An einem breit gefassten Bachbett, das von links kommt, zweigt am linken Rand ein Trampelpfad in den etwas |
höher liegenden Kessel von Calderaio Verde ab. In den nahezu senkrechte Kessel fällt ein dünner Fädchenwasserfall. Beeindruckend ist die Stelle allemal. Hier ist für die meisten Wanderer der Umkehrpunkt.
Wir wollen aber noch weiter. Einen Warnhinweis lassen wir unbeachtet. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass ab jetzt die Sicherung durch Drahtzaun deutlich schlechter wird. Abgebröckelte Levadamauern und rutschige Stellen erhöhen das Risiko bei einem Fehltritt. Etwa in der Hälfte des Weges zur Einkehr (Ende der Levada im Bachbett) war die Levada durch einen Erdrutsch vollständig zerstört (ca. 10m). Doch bis dahin haben wir vor allem immer wieder einen herrlichen Tiefblick in das Ribeira Grande, das Große Tal. Und ziemlich bald nach dem Abzweig zum Grünen Kessel einen Wasserfall, der genau auf den Weg und die Levada fällt. Da sind wir doch froh, Regenschirme dabei zu haben. So lässt sich die völlige Durchnässung vermeiden. Rechts fällt das Wasser noch etwa 50m weiter senkrecht in den Talgrund hinab.
Nach einer unpassierbaren Stelle (Umgehung unterhalb im Kiesbett) erreichen wir bald den Abzweig zum Pico-Ruivo-Tunnel (ca. 100m; Roter Pfeil links). Sollte man fehlgehen, ist das nicht weiter schlimm. Vom Ende der Levada etwa 2 min zurück und dann rechts die Steintreppe hinauf. Unglaublich steil geht es die ausgetretenen Stufen hinauf zum knapp 100m höher liegenden Tunnel zum Kraftwerk Pico Ruivo. Von links kommt ein Tunnel heran, doch wir folgen den alten Schienen in den direkt vor uns liegenden Tunnel. Unmittelbar danach biegen wir rechts ab und gehen entlang eines Absetzbeckens. Nun beginnt eine längere Tunnel-Kette. Direkt vor dem nächsten stürzt ein Wasserfall herab, der einen ggf. ordentlich feucht machen kann.
Einem 150m langen Tunnel folgt einer, der zunächst ziemlich niedrig ist. Wir stehen nun kurz davor, die außergewöhnlichste Stelle Madeiras zu erreichen. Vier Galeriefenster lassen erahnen, wie spektakulär. Kaum fällt Tageslicht in die dunkle Klamm, die sich hier der Fluß gegraben hat. Etwa 100m tief und nur wenig mehr als 10m stehen hier die Felswände einander gegenüber. Lautstark kündigt sich ein Zufluß in die Levada an – dann steht man nach einigen Treppenstufen an dem Zusammenfluß zweier schöner Wasserfälle. Kaum zu beschreiben die Stimmung zwischen den himmelhohen, dunklen und feuchten Wänden. Eine dürftige Gitterrostbrücke führt über einen tiefen Spalt (Stand Mai 2010; das Baumaterial für eine weitaus massivere Brücke lag schon da). Die Öffnung zum Weiterweg ist weitgehend durch eine Mauer verschlossen. Allzu dick sollte man nicht sein, um hier noch weiter zu kommen. Der Tunnel führt etwa 80m weiter ins nächste Tal. Nach drei weiteren Tunneln erreicht man den kreisrunden Kessel do Inferno. Der Wasserfall ist 100m hoch, führt aber trotz Regens kaum Wasser. Eindeutig ist die Klamm der Höhepunkt der Wanderung.
Eine kurze Pause legen wir ein, doch ein Regenschauer treibt uns wieder zurück. Es ist mittlerweile auch schon spät und die Hänge über uns hüllen sich in Wolken.
Zurück geht es wieder durch die nun sehr dunkle Klamm, durch den Tunnel mit den Galeriefenstern und schließlich zum Abstieg zur Levada do Caldeirao do Verde. Die steile Treppe runter ist bei dem vom Regen aufgeweichten und rutschigen Boden nicht ganz angenehm. Die folgenden ca. 2km geht es wieder entlang der gelegentlich exponierten Levada. Ein, zwei Stellen geben den Blick bis ins geröllige Flussbett frei und lassen erahnen, wie senkrecht es neben einem bergab geht. Nach dem Wasserfall auf den Weg, dessen Wassermassen fast unsere Regenschirme einknicken lassen, erreichen wir wieder den „normalen“ Weg zur Caldeirao do Verde. Nun sind es noch 6,5 km, die sich in der zunehmend dunkleren Welt unter den dicken Wolken arg dehnen.
Die Tour ist 19km lang, wir haben 5 Stunden gebraucht. Sehr lohnend, aber stellenweise auch ziemlich exponiert. Aber machbar. |